Ältestes Bild der "Königin Europa“

Im Mittelalter wurde Europa mitunter als Mann dargestellt – in der frühen Neuzeit erstmals als Königin. Die älteste derartige Darstellung befindet sich im Museum Retz, wie nun die Untersuchung eines Holzschnitts aus dem 16. Jahrhundert ergab.

Angefertigt hat sie der Tiroler Kartograph und Dichter Johannes Putsch 1534. Damit ist der Holzschnitt die älteste bekannte Darstellung des europäischen Kontinents in Form einer Königin, wie die Archäologin und Kulturwissenschaftlerin Celine Wawruschka von der Donauuni Krems herausgefunden hat. Sie hat den Holzschnitt im Archiv des Museums Retz entdeckt und untersucht.

Der Holzschnitt "Königin Europa" von Johannes Putsch 1534

Doris Pitour

Darauf zu sehen ist eine Königin, deren Körperteile einzelnen Königreichen Europas zugeordnet sind. Im Herzen der „Königin Europa“ sitzt etwa das Habsburgerreich mit dem damaligen Österreich und Böhmen, zu dieser Zeit von Ferdinand I. regiert. Den Kopf mit der Krone hat Europa rechts zur Seite geneigt – hier oben liegt entgegen gängigen Darstellungen Spanien, regiert von Karl V., Kaiser des Heiligen Römischen Reiches. Im rechten Arm, in dem sie den Reichsapfel hält, befinden sich der italienische Stiefel und Sizilien. Am unteren Bildrand druckte der erst 19-jährige Putsch, der auch als Sekretär von Ferdinand I. tätig war, zudem ein Gedicht, das er laut Wawruschka bereits in der Schule geschrieben hatte. „Bisher hat man das Gedicht und die Königin Europa immer getrennt voneinander analysiert, nun zeigt sich, dass das eine Einheit ist.“

Ö1-Sendungshinweis

Über das Thema berichteten auch die Ö1-Journale, 28.3., 12:00 Uhr.

Zwar gab es bereits in der Antike Darstellungen von Europa als Frau, ehe der Kontinent vor allem als Mann dargestellt wurde. Putsch hat sie aber als Erster zur Königin gemacht. „Dadurch, dass es in die Form einer Königin gepresst ist, symbolisiert Europa eine Einheitlichkeit, die vorher nicht so gegeben war. Denn im Mittelalter war Europa auf viele unterschiedliche Königreiche aufgeteilt und sogar auf Stadtstaaten, die sich untereinander bekriegt haben. Die einzige Einigkeit, die damals in Europa geherrscht hat, war jene der christlichen Kirche.“

„Jungfrau, die beschützt werden muss“

In dem Gedicht beklagt sich „Königin Europa“ letztlich über diese kriegerischen Auseinandersetzungen und ruft Ferdinand I. und Karl V. dazu auf, sie vor den einfallenden Türken zu retten, so Wawruschka. „Die Königin Europa ist hier eine Jungfrau, die vor ihren inneren und äußeren Feinden beschützt werden muss - und die ihre Jungfräulichkeit und Sittsamkeit bewahren muss, wie das in dem Gedicht ausgedrückt wird. Die beiden männlichen Herrscher des damaligen Habsburgerreiches werden aufgefordert, sie zu schützen.“

Johannes Putsch hat mit seiner Darstellung im 16. Jahrhundert viele Nachahmer gefunden, seine „Königin Europa“ gilt als Vorbild für ähnliche Darstellungen anderer Erdteile. Die farbige Europakarte wird ab dem 18. Mai im Museum Retz ausgestellt.

Ruth Hutsteiner, Ö1-Wissenschaft