Interstellare Himmelskörper: Keimzellen für Planeten?

Himmelskörper, die nicht an Sterne gebunden sind, könnten eine wichtigere Rolle bei der Bildung von Planeten spielen als bisher angenommen. Diesen Schluss ziehen zwei Astrophysikerinnen aufgrund neuer Berechnungen.

Die Beobachtung des Asteroiden „Oumuamua“ war Ausgangspunkt für die Überlegungen von Susanne Pfalzner vom Jülich Supercomputing Centre (JSC) in Deutschland und Michele Bannister von der Queens University Belfast in Nordirland.

Studie

„A hypothesis for the rapid formation of planets“, Astrophysical Journal Letters, 8.4.2019 (preprint als PDF)

Der Himmelskörper hatte im Oktober 2017 unserem Sonnensystem einen kurzen Besuch abgestattet und war der erste im weiten Sonnenumfeld entdeckte, der aus dem interstellaren Raum stammt. Die Milchstraße könnte voll sein von Objekten wie „Oumuamua“.

Video: Reise von „Oumuamua“ durch das Sonnensystem:

Schnellere Planetenbildung

Dem liegt die Idee zugrunde, dass Planetensysteme nach ihrer Entstehung Billionen von winzigen Welten in den interstellaren Raum hinaus werfen - wie Löwenzahn ihre Samen streuen. Diese driftenden Felsbrocken könnten demnach als eine Art Keimzellen dienen, aus denen schließlich ganze Planeten entstehen.

„Nach bestehenden Modellen bilden sich Planeten langsam aus mikrometergroßen Gas- und Feinstaubteilchen in protoplanetaren Scheiben um einen Stern, die sich in Millionen von Jahren immer mehr verdichten“, erklärte Pfalzner. Den Angaben zufolge gibt es jedoch auch Beobachtungen, die ein anderes Bild zeichnen - denn manche Planeten müssen in weitaus kürzerer Zeit entstanden sein als nach dem Standardmodell möglich.

Interstellare Körper wie „Oumuamua“ könnten demnach diese Widersprüche in Einklang bringen. „Viele dieser Objekte bewegen sich vermutlich zu schnell, um von protoplanetaren Scheiben eingefangen zu werden“, erläuterte Pfalzner. „Und von denen, die gefangen werden, fallen die meisten wahrscheinlich in den Stern hinein.“ Dennoch sollte es nach Berechnungen der beiden Astrophysikerinnen um jeden Stern mindestens zehn Millionen dieser interstellaren Objekte geben.

Der Asteroid 1I/2017 U1 beziehungsweise "Oumuamua"

ESO/M. Kornmesser

Der Asteroid „Oumuamua“

Schwerkraft zieht Materie an

„Beim Einfangprozess gehen also die meisten verloren“, erklärte Bannister. „Doch da es so viele dieser Objekte gibt, bleiben am Ende trotzdem noch reichlich von ihnen übrig.“ Tausende dieser Körper seien wahrscheinlich mehr als einen Kilometer groß. „Einige wenige könnten die Größe von Zwergplaneten wie Ceres oder Pluto haben - oder wie unser Mond.“

Mit ihrer Schwerkraft könnten diese Körper Materie wie Gas, Staub und kleine Gesteinsbrocken anziehen und so schließlich zu vollwertigen Planeten anwachsen. Dieses Szenario würde das Problem mit der Geschwindigkeit der Planetenbildung lösen, hob das Forschungszentrum weiter hervor.

Nach dem Standardmodell würde es womöglich zehntausende Jahre dauern, „um aus mikroskopischen Staubpartikeln auch nur auf millimeter- oder zentimetergroße Materieteilchen zu kommen“, erläuterte Bannister. „Die Bildung von erdähnlichen Planeten braucht dann noch einmal viele Millionen Jahre, die von Gasgiganten wie Jupiter sogar noch länger.“ Dennoch fänden sich in jüngeren Sternansammlungen Planeten, die nur eine Million Jahre alt seien.

„Wenn sich Planeten nicht langsam aus mikrometergroßen Staub- und Gasteilchen aufbauen müssten, würde das ihren Entstehungsprozess enorm beschleunigen“, unterstrich Pfalzner. „Als die Idee aufkam, war sie so einleuchtend - ich hoffe, dass viele andere Forscher sie aufgreifen und das Modell testen werden.“

science.ORF.at/AFP

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