Erstes Bild eines Schwarzen Lochs

Das gespannte Warten hat ein Ende: Forscher haben Mittwochnachmittag das erste Bild eines Schwarzen Lochs veröffentlicht - und damit das Unsichtbare sichtbar gemacht.

Das Bild zeigt einen dunklen Fleck - den Ereignishorizont des Schwarzen Lochs, umgeben von einem verschwommenen Ring aus Lichtteilchen. Bisher gab es von Schwarzen Löchern nur Illustrationen. Bei dem aufgenommenen Exemplar handelt es sich um das extrem massereiche Schwarze Loch im Zentrum der 55 Millionen Lichtjahre entfernten Galaxie Messier 87.

„Hut ab, eine erstaunliche Leistung der internationalen Wissenschaft!“ So lautete der erste Kommentar des österreichischen Kosmologen Peter Christian Aichelburg. Dass Schwarze Löcher tatsächlich existieren – wofür nunmehr der endgültige Beweis vorliegt -, daran habe er als Theoretiker nicht gezweifelt, sagte Aichelburg gegenüber science.ORF.at. Sehr wohl überrasche ihn indes die Tatsache, dass man Schwarze Löcher wirklich mit Hilfe von Teleskopen direkt beobachten kann.

Erstes Bild eines Schwarzen Lochs

EHT Collaboration

Das erste Bild eines Schwarzen Lochs

Eine Gruppe von Forschern und Forscherinnen hat die Aufnahme im Rahmen von sechs Pressekonferenzen, die rund um den Globus stattfanden, präsentiert. Ursprünglich war die Veröffentlichung des Bildes schon für das Vorjahr geplant, seine Rekonstruktion erwies sich aber als aufwendiger als gedacht.

Was auf dem Bild zu sehen bzw. nicht zu sehen ist: Der schwarze Kreis ist „das Vakuum um den Kollaps einer großen Masse mit einer verbogenen Raumzeitgeometrie“, so Aichelburg, „also im Grunde der leere Raum.“

Grundlage für das neue Bild ist ein weltumspannendes Netzwerk von acht Teleskopen, die unter anderem am Südpol, in Europa sowie Nord- und Südamerika stehen. Unter dem Titel „Event Horizon“-Teleskop (EHT) wurden sie im April 2017 in Richtung zweier Schwarzer Löcher gerichtet. Das eine (“Sagittarius A*“) befindet sich rund 26.000 Lichtjahre von der Erde entfernt in unserer Heimatgalaxie, der Milchstraße; das andere im Zentrum der rund 55 Mio. Lichtjahre entfernten Riesengalaxie Messier 87 im Sternbild Jungfrau. Obwohl „M87*“ ungefähr 2.000-mal weiter entfernt ist, war dieses Schwarze Loch leichter zu beobachten als “Sagittarius A*“. Der Grund: Es ist auch rund 1.000-mal massereicher.

NASA-Video: Die Simulation zeigt, wie die Milchstraße aus Sicht des Schwarzen Lochs “Sagittarius A*“ in ihrem Zentrum aussehen würde

Gravitation entkommt nichts – auch kein Licht

Schwarze Löcher sind eine der Vorhersagen der Allgemeinen Relativitätstheorie, die Albert Einstein vor etwa 100 Jahren aufgestellt hat. Den Begriff hat dann der US-Physiker John Archibald Wheeler rund 50 Jahre später etabliert.

In Schwarzen Löchern kann die Masse von mehreren Milliarden Sonnen auf einen Punkt komprimiert sein. Durch die enorme Gravitation können ihnen weder Materie noch Information entkommen – so auch kein Licht, weshalb sie auch Schwarze Löcher heißen und weshalb sie so schwierig abzubilden sind.

Das EHT hat deshalb auch nicht direkt das Schwarze Loch abgebildet, sondern seine Umgebung drumherum. Die starke Gravitation führt dazu, dass das Loch ständig Materie – Sterne, Planeten und anderes – anzieht. Diese Materie fällt aber nicht direkt ins Zentrum, sondern sammelt sich auf einer immer schneller rotierenden Scheibe - ähnlich wie Wasser in einem Strudel aus der Badewanne fließt. In dieser Scheibe wird die Materie durch gegenseitige Reibung Millionen Grad heiß und leuchtet dadurch hell auf, bevor sie im Schwarzen Loch verschwindet. Dieses charakteristische Leuchten ist in Orange und Rot in der jetzt vorgelegten Aufnahme zu sehen.

Künstlerische Darstellung wie diese prägten bisher die Vorstellung von Schwarzen Löchern

Robin Dienel/Carnegie Institution for Science

Künstlerische Darstellung wie diese prägten bisher die Vorstellung von Schwarzen Löchern

Virtuelles Teleskop mit Durchmesser der Erde

Begrenzt werden Schwarze Löcher vom Ereignishorizont (englisch „event horizon“), der dem EHT-Projekt seinen Namen gab. Alles was sich innerhalb des Ereignishorizonts befindet, kann dem Schwarzen Loch nicht entkommen - denn dazu wäre eine unendliche Energie erforderlich.

Schwarze Löcher sind auch deshalb schwer abzulichten, weil sie trotz ihrer riesigen Masse relativ klein sind. Ein Schwarzes Loch mit der Masse unserer Erde wäre beispielsweise nur so groß wie eine Kirsche. Zudem sind die Schwarzen Löcher sehr weit entfernt. Um trotzdem eine Aufnahme machen zu können, haben die EHT-Forscher die acht Radioteleskope miteinander kombiniert.

Die acht an den "Event-Horizon-Teleskop"-Beobachtungen im April 2017 beteiligten Teleskope

APEX, IRAM, G. Narayanan, J. McMahon, JCMT/JAC, S. Hostler, D. Harvey, ESO/C. Malin

Die acht „Event-Horizon-Teleskope“

So erreichten sie ein virtuelles Radioobservatorium mit einem Durchmesser von 12.000 Kilometern - dem Durchmesser der Erde – und eine Detailschärfe, mit der sich umgerechnet noch von Wien aus eine Zeitung in New York lesen lassen würde.

Bestätigung für Einstein

Das EHT-Projekt gilt als der größte Testlauf für Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie, die bisher immer wieder bestätigt wurde. So auch im Jahr 2015, als bei einer Kollision von zwei Schwarzen Löchern erstmals Gravitationswellen beobachtet werden konnten. Diese Störungen der Raumzeit waren von Einstein vorhergesagt worden, ihr Nachweis wurde 2017 mit dem Nobelpreis belohnt.

Das Bild sei eine Bestätigung von Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie unter den extremsten Bedingungen des Universums, so der deutsche Physiker Karl Schuster in einer ersten Einschätzung. Mit den Beobachtungen, die auch im Fachblatt „Astrophysical Journal“ vorgestellt werden, hoffen die Forscher zahlreiche grundlegende Fragen zu beantworten, darunter: Sehen Schwarze Löcher so aus wie von der Theorie erwartet? „Wir waren ehrlich gesagt überrascht, wie gut der beobachtete dunkle Fleck mit der aus unseren Computersimulationen vorhergesagten Struktur übereinstimmt“, betonte der Radioastronom Anton Zensus vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie. Dort wurden die Daten der beteiligten Radioteleskope kombiniert.

Der experimentelle Durchbruch öffne die Tür zu einer Vielzahl neuer Beobachtungen, die unbekannte Details der kosmischen Schwerkraftfallen enthüllen könnten, erläuterte Schuster. „In Zukunft möchten wir auch die Dynamik der einstrudelnden Materie untersuchen. Im Grunde möchte man einen Film davon machen.“

science.ORF.at/dpa

Mehr zu dem Thema: