Abholzung macht Flüsse tiefer

Jahrhundertelang wurden am Flussufer gefällte Baumstämme auf Flüssen befördert. Wie eine aktuelle Studie zeigt, führte diese Praxis dazu, dass die Böden der Flüsse deutlich schneller abgeschürft wurden als durch natürliche Prozesse. Auch heute noch.

Kiesel und Schotter in Flüssen tragen dazu bei, dass das Flussbett Schicht für Schicht abgeschürft wird. Ohne menschliches Zutun werden Flüsse durch die am Boden reibenden Steinchen jedes Jahr um maximal bis zu einen Millimeter tiefer, erklärt die US-Geologin Sarah Schanz von der Indiana Universität in Bloomington. Intensive Abholzungspraktiken im letzten Jahrhundert haben diesen Prozess allerdings erheblich beschleunigt, wie Schanz nun mit Kollegen in einer Studie zeigt.

Historische Aufnahme: Transport von Baumstämme

Frederick Krueger Photographs

Historische Aufnahme: Transport von Baumstämme

Besonders deutlich wird das beim Teanaway Fluss im Bundesstaat Washington. Durch das vergleichsweise weiche Gestein im Flussbett, vertiefte sich der Fluss hier sogar um 100 Millimeter pro Jahr. Auch heute noch, wie die Studienleiterin Sarah Schanz erklärt. „Mein Kollege hat 1999 lange Nägel in den Flussboden gerammt, um die Erosion zu überprüfen. Nach wenigen Jahren waren die Nägel komplett herausgeschwemmt. Auch heute noch messen wir Veränderungen von 100 Millimeter pro Jahr.“

Dickes Sediment schützt den Fluss

Die Ursache liegt im vergangenen Jahrhundert. Damit die abgeholzten Baumstämme besser schwammen, entfernte man Äste, Holz und andere Hindernisse aus den Flüssen. Diese hatten allerdings eine wichtige Funktion. Sie sammelten nämlich den Schotter und Kiesel an unterschiedlichen Stellen, was den Flussboden schützte. „Ist das Sediment dick genug, verhindert die untere Schicht, dass die oberflächlichen Steinchen, die flussabwärts geschwemmt werden, den Fels abschürfen.“ Ist zu wenig Kiesel vorhanden, kratzt alles am Grund.

Auch Flüsse in Europa sind vom Sedimentmangel betroffen, allerdings schreiten hier die Erosionen aufgrund robusterer Gesteinsmassen langsamerer voran, so Schanz. Problematisch ist vor allem, dass bestimmte Tier- und Pflanzenarten durch die nunmehr steilen Felswände den Zugriff auf das Wasser zum Teil verloren haben. „Wir können auch davon ausgehen, dass die Landschaft weniger trocken wäre, wenn es diesen Eingriff nicht gegeben hätte. Letztlich war es aber für den Menschen nützlich, das Land vor Überschwemmungen zu schützen.“ Zum Problem wird der Flussbodenschwund zudem für Brücken. Sie drohen instabil zu werden, wenn der Fels unter ihnen weiterhin weggeschürft wird. „Man reagiert nun aber und sorgt dafür, dass es wieder Blockaden aus Holz und anderem Material gibt, die das Sediment teilweise zurückhalten.“

Beweis für Anthropozän

Der Zusammenhang zwischen frühen Abholzungspraktiken und der Veränderung des Flussbettes ist für die Forscherin und ihre Kollegen letztlich ein weiterer Beweis dafür, dass der Mensch die Umwelt in den letzten Jahrzehnten und Jahrhunderten so maßgeblich geformt hat, dass man heute vom Anthropozän, also vom Menschenzeitalter sprechen muss. „Es gibt weltweit viele Flüsse, die in den Flussbetten deutliche Spuren von Menschen zeigen. Das ist jetzt aber das erste Mal, dass ein gesamtes Flussbecken durch den Menschen umgeformt wurde“, so Schanz.

Hund an steilen Flussufer

Sarah Schanz, PNAS

Für Tiere sind die steil abfallenden Wände ein Problem

In einer Überblicksstudie haben Geologen zudem weltweit Daten erhoben um festzustellen, wie sich Flüsse in den letzten 4.000 Jahren verändert haben. Ähnlich wie beim Teanaway Fluss scheint es auch bei anderen Fließgewässern einen Zusammenhang zwischen der Bildung tiefer Flussterrassen und der Abholzung von Wäldern zu geben, so die Forscher.

Ruth Hutsteiner, Ö1-Wissenschaft

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