Warum Dauerstress dick macht

Wer bei dauerhaftem Stress viel Fettiges und Süßes isst, könnte eine Art Teufelskreis im Gehirn auslösen, der besonders schnell fettleibig macht. Zu diesem Ergebnis kommen nun australische Neurowissenschaftler in einem Versuch mit Mäusen.

Viele Menschen greifen zu Chips, Schokolade, Pommes oder Pudding, wenn sie unter Stress stehen. Einige essen dabei auch wesentlich mehr als sonst. Warum das so ist und was das Gehirn damit zu tun hat, haben die australischen Forscher mit Hilfe von Mäusen untersucht.

Neuropeptid Y wird mehr und mehr

Dabei sind bestimmte Grundmechanismen bei den Nagern wie bei Menschen gleich. In beiden Fällen steuert das Molekül Neuropeptid-Y, kurz NPY, das Hungergefühl. Das heißt, NPY wird im Gehirn produziert und wir bzw. die Mäuse bekommen Appetit. Nach dem Essen sinkt der NPY-Spiegel normalerweise wieder.

Die Studie

„Amygdala NPY Circuits Promote the Development ofAccelerated Obesity under Chronic StressConditions“, Cell Metabolism, 25.4.2019

Ö1-Sendungshinweis

Diesem Thema widmeten sich das Morgenjournal am 26.4. sowie die Nachrichten.

Wie sich in der Studie nun zeigt, produziert das Mäusegehirn unter Stress wesentlich mehr Appetitmoleküle als ohne. „Normalerweise wird NPY nur im Hypothalamus produziert und die Nahrungsaufnahme somit über diese Hirnregion gesteuert“, erklärt Herbert Herzog, einer der Studienautoren, vom australischen Garvan Institute of Medical Research. Unter Stress mischt sich hier eine zweite Hirnregion ein, die Amygdala - hier werden unter anderem Emotionen und Stress verarbeitet. Unter andauerndem oder wiederholtem Stress produziert diese Region ebenfalls NPY, um den Appetit zu regeln.

Ist im Futternapf zudem nur kalorienreiches Futter, steigt der NPY-Spiegel unter Stress sogar noch weiter an, wodurch die Mäuse noch mehr essen. Zum Vergleich: Bekamen die gestressten Mäuse normales, kalorienärmeres Futter, sanken die Appetitmoleküle mit dem Fressen in beiden Gehirnregionen wieder.

Insulin beeinflusst Appetit im Gehirn

Eine entscheidende Rolle spielt dabei Insulin, wie die Forscher überraschend beobachteten. Normalerweise fungiert das Hormon unter anderem als „Handbremse“ für den Appetit. Das heißt, beim Essen steigt der Insulinspiegel an und gibt dem Körper zu verstehen, dass er genug hat. Das ist bei Mäusen wie Menschen gleich, so Herzog. Durch das fettige Stressessen stieg das Mäuse-Insulin allerdings sogar noch weiter. Die Nervenzellen reagierten aber nicht mehr darauf, so der Neurowissenschaftler. „Wenn man die Nachricht zu oft bekommt, schaltet man auf stumm. So könnte es etwa mit den Neuronen in der Amygdala sein, die nicht mehr auf das viele Insulin reagieren.“

Die Folgen: Der Hunger bleibt, und die Mäuse werden dick. Nicht zuletzt auch deshalb, weil die Mäuse weniger Körperenergie verbraucht haben. „Wenn man normalerweise kalorienreiche Kost zu sich nimmt, steigt beispielsweise die Körpertemperatur, um die überschüssige Energie loszuwerden. Das ist ein natürlicher Prozess. Bei der Kombination von Stress und fetthaltigem Essen dreht sich der Effekt um, und der Energieverbrauch sinkt sogar unter den Normalverbrauch.“

Geht es nach Herzog, seien diese Erkenntnisse durchaus auf den Menschen übertragbar, da der Stoffwechsel sehr ähnlich funktioniere. „Die Moleküle, die den Appetit regeln, sowie die Mechanismen, die den Energiehaushalt im Gleichgewicht halten, sind dieselben. Sie tun dasselbe in Mäusen wie in Menschen.“ Die Forscher empfehlen Menschen deshalb in dauerhaften Stresssituationen besonders darauf zu achten, was sie essen.

Ruth Hutsteiner, Ö1-Wissenschaft

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