Stabil und sparsam: Chemische Datenspeicher

Festplatten brauchen Strom und Kühlung, Magnetbänder müssen alle paar Jahre kopiert werden. Ein neuer Datenspeicher soll das besser machen: Chemiker aus Harvard wollen Informationen künftig in organischen Molekülen speichern.

Die Datenmenge, die Menschen generieren, versenden und speichern, wird jeden Tag größer. Schätzungen zufolge sollen sich im Jahr 2021 bereits 106.000 Gigabyte Daten pro Sekunde durch das Internet bewegen. Ein großer Teil davon wird gespeichert, vieles soll auch noch Jahre später erhalten sein.

Die Studie:

„Storage of Information Using Small Organic Molecules“, ACS Central Science, 1.5.2019

Ö1-Sendungshinweis

Dem Thema widmete sich auch ein Beitrag im Ö1-Journal, 2.5., 12 Uhr.

Gängige Speichermedien wie Festplatten oder Magnetbänder stoßen hier an Grenzen: Sie sind einerseits nicht beständig genug, andererseits ist mit der Datenspeicherung ein hoher Energieaufwand verbunden. Das hat ein Team von Chemikern der Universität Harvard dazu veranlasst, nach einer neuen Speichermethode zu suchen.

Molekülgemisch für Bits und Bytes

Das Konzept von Brian Cafferty, George Whitesides und dem Österreicher Michael Fink kommt ohne Festplatten aus. Sie arbeiten mit Gemischen organischer Moleküle, mit denen sie Informationen codieren, abspeichern und auslesen können. Das Konzept hätten sie in Anlehnung an den etablierten binären Speichercode entwickelt, erläutert Fink, der vor einigen Jahren mit einem Schrödinger-Stipendium des Forschungsfonds FWF nach Harvard ging und dort heute als Postdoctoral Fellow tätig ist.

„Ist ein bestimmter Zustand präsent oder ist er nicht präsent, kann ich ihn messen oder eben nicht“, so Fink. Herkömmliche Speicher übersetzen Informationen in Nullen und Einsen, daraus erzeugen sie einen Code. Die Forscher in Harvard verwenden für ihre Speichertechnologie nun ein bestimmtes Molekül: Ist es vorhanden, wird es als Eins ausgelesen, fehlt es, steht das für Null. Mit ihren Molekülgemischen können die Chemiker so Muster erzeugen, die als Code gespeichert und gelesen werden. Sie nennen diese Codierung „MolBits“.

Moleküle werden in binäre Codes übersetzt

Justin Ide/Harvard University

Moleküle werden in binäre Codes übersetzt

Wenig Energie, lange Speicherdauer

Geschrieben werden die Daten mithilfe eines Laborroboters. Der trägt mikroskopisch kleine Tröpfchen der Molekülgemische auf ein Trägermaterial auf. Diese Molekülpünktchen gehen eine feste Bindung mit der Oberfläche ein. Da es sich um stabile Moleküle handelt, die ihre Eigenschaften nicht verändern, sei das Speichermedium besonders beständig, sagt Michael Fink.

„Wir sprechen hier von tausend Jahren und mehr“, so der Chemiker. Energie brauche das Speichermedium während der Lagerung auch keine. Das sei einer der großen Vorteile der molekularen Speicherung: Nur der Speicherprozess und das Lesen der Daten verbrauchen Energie.

Schneller als DNA-Speicher

Laut den Studienautoren sind „MolBits“ nicht nur klassischen Speichermethoden überlegen, sondern auch neuen Technologien wie DNA-Speichern. Hier werden Daten entsprechend der vier Nukleinbasen Adenin, Guanin, Cytosin und Thymin, aus denen unsere DNA aufgebaut ist, codiert. Dabei handelt es sich ebenfalls um sehr beständige Speichermedien, doch das Codieren ist sehr aufwändig. „DNA-Speicher zu erstellen nimmt wesentlich mehr Zeit in Anspruch, als mit MolBits zu kodieren“, so Fink.

Und obwohl die Technologie gerade erst entwickelt wurde, könnte schon bald ein Produkt daraus werden, ist Fink überzeugt. Denn bei der Herstellung der Datenträger und beim Auslesen der Daten können die Wissenschaftler auf Technologien zurückgreifen, die in chemischen Labors schon lange zur Ausstattung gehören.

Marlene Nowotny, Ö1-Wissenschaft

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