„Jung, männlich, dumm“
Sie leiden unter einer Art „jung-dumm-männlich-Syndrom“, wie es der Zoologe Julian Kerbis Peterhans vom Fields Museum in Chicago ausdrückt. Im Gegensatz zu erfahreneren Löwen und weiblichen Artgenossen machen sie öfter Jagd auf die stacheligen Beutetiere und handeln sich dabei allerlei Verletzungen ein. „Sie tun das oft alleine, sodass ihnen andere Löwen nicht zur Hilfe kommen und etwaige Stacheln entfernen können“, sagt Kerbis.
Eric Kilby
50 Fälle dokumentiert
Mit Kollegen hat der Zoologe soeben die bisher umfangreichste Studie zum oft schwierigen Verhältnis von Löwen und Stachelschweinen vorgelegt, erschienen im „Journal of East African Natural History“. Die Forscher haben dazu sowohl historische Quellen aus den vergangenen 400 Jahren durchforstet als auch moderne Zeugnisse verwendet, wie etwa YouTube-Videos.
Sie fanden dabei 50 Fälle, bei denen Löwen von Stachelschweinen verletzt oder getötet wurden. Auffällig war nicht nur die „jung, männlich, dumm“-Tendenz, sondern auch, dass sich die Vorfälle bei schwierigen Umweltbedingungen häufen. Ist es trockener und rauer, sind offenbar weniger von den bevorzugten Beutetieren – etwa Zebras, Antilopen und Büffel – vorhanden. Und das erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass Löwen auch Stachelschweine jagen.
Julian Kerbis Peterhans, Foto John Perrott
Kann Löwen zu Menschenfressern machen
Dass ihnen das nicht immer bekommt, zeigen bereits Tagebücher aus dem Jahr 1665. Ein Beamter der niederländischen East Company berichtete im Juni des Jahres von gleich drei Vorfällen, bei denen sich Löwen Stachelschweinstacheln eingehandelt haben. Was diese genau anrichten, haben die Forscher anhand von Schädelskeletten zweier Löwen untersucht. Bei dem einen durchbohrte ein 20 Zentimeter langer Stachel die Nase, bei dem anderen steckte ein zwei Zentimeter langes Bruchstück im Nerv eines abgebrochenen Eckzahns.
Dies habe zu Infektionen geführt, die die Fähigkeit der Löwen zu essen bzw. riechen stark einschränkten. Das wiederum könne dazu beitragen, dass Löwen zu Menschenfresser werden – was sie üblicherweise nicht sind, wie die Forscher betonen. „Verletzungen durch Stachelschweine können Angriffen auf Menschen vorausgehen“, sagt Kerbis, der auf mehrere derartige Fälle verweist. Zurückzuführen sei dies letztlich auf Probleme mit dem Nahrungsangebot.
„Eine Moral der Geschichte ist, dass es keine freie Mahlzeit gibt“, sagt der Studien-Koautor Gastone Celesia, ein emeritierter Neurologe. „Sogar der König der Tiere kann nicht fressen, was er will, ohne einen Preis dafür zu zahlen.“
Lukas Wieselberg, science.ORF.at