Fische mit großem Hirn sterben früher

Fische mit großem Hirn altern schneller und sterben daher früher eines natürlichen Todes als ihre Artgenossen mit kleinerem Hirn. Das zeigt eine Studie an Guppys. Offenbar verbrauchen die grauen Zellen Energie, die dann in anderen Körperteilen fehlt.

Mit Kollegen hat Alexander Kotrschal am Department für Zoologie und Ethologie der Universität Stockholm Guppys (Poecilia reticulata) mit besonders großen und besonders kleinen Gehirnen gezüchtet. Der Größenunterschied der Denkorgane zwischen den beiden Gruppen betrug 15 Prozent. Anschließend setzten die Forscher 60 solcher Fische jeweils in ein schönes, kleines Aquarium, wo sie nichts anderes zu tun hatten, als stressfrei zu fressen und auszuscheiden. Die Forscher gaben ihnen ausreichend Futter, stets frisches Wasser und zählten die Tage, bis die Fische das Zeitliche segneten.

Die Studie

”Large brains, short life: selection on brainsize impacts intrinsic lifespan“ (sobald online), Biological Letters, 15.5.2019

Im Schnitt passierte das drei Jahre, einen Monat und 26 Tage nach ihrer Geburt. Der letzte Fisch war ein kleinhirniges Männchen, das mit über fünf Jahren und vier Monaten starb. Die Guppys mit weniger Grips lebten durchschnittlich 22 Prozent länger als die Schlauen. Offensichtlich hatte die exorbitante Denkzentrale bei letzteren den Altersprozess beschleunigt, während die kleingeistigen Fische quasi Methusalem-Alter erreichten.

Hirn nützt in freier Wildbahn

„Die Energie für den Bau und Unterhalt des viel größeren Gehirns muss von irgendwo anders weggenommen werden, zum Beispiel beim Wiederherstellungsmechanismus von Zellen, um mit freien Radikalen umzugehen“, erklärt Kotrschal, der mittlerweile auf eine Laufbahnstelle an der Universität Wageningen (Niederlande) gewechselt ist. Diese sind bekanntermaßen ein Grund, dass Zellen altern, und das Dahinwelken ist laut gängiger Hypothese überhaupt eine Folge von Energiemangel im Organismus. In einer früheren Studie hat der Forscher auch gezeigt, dass das Immunsystem der großhirnigen Fische nicht so effektiv funktioniert wie bei solchen mit kleinen Denkorganen.

In der freien Natur dreht sich das Spiel allerdings um, meinte er: „Wenn man die Guppys in eine ökologisch sinnvolle Situation mit einem Räuber steckt, werden die kleinhirnigen schneller gefressen als die großhirnigen“, so der Biologe. Letztere können sich durch ihre höheren kognitiven Fähigkeiten auch besser auf neue Situationen einstellen. In der freien Wildbahn werden Guppys kaum älter als ein Jahr. Hier wirken sich die Alterungsprozesse wohl weniger auf die tatsächliche Überlebenszeit aus, als die geistigen Kompetenzen, Fressfeinden zu entkommen und selbst Futter zu finden.

Auch bei Menschen wurde ein Zusammenhang zwischen der Hirngröße und der Lebensspanne gefunden: Leute, die älter starben, hatten einer Untersuchung zufolge kleinere Gehirne als solche, die in jungen Jahren aus dem Leben gerissen wurden. Es ist aber bekannt, dass die Hirnmasse beim Altern schrumpft. Deshalb ist es schwer zu sagen, ob auch bei Homo sapiens die Lebenserwartung mit steigender Gehirngröße sinkt.

science.ORF.at/APA

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