Neue Sicherheitslücken bei Prozessoren

Grazer IT-Experten haben gemeinsam mit einem internationalen Team zwei Angriffsmethoden entdeckt, die Daten aus Computersystemen auslesen können. Betroffen sind alle Intel-Prozessoren, die zwischen 2012 und Anfang 2018 hergestellt wurden. Intel hat bereits reagiert.

„ZombieLoad“ und „Store-to-Leak Forwarding“ haben die Sicherheitsforscher der TU Graz die neuen Angriffsmethoden genannt, die eine gravierende Sicherheitslücke bei Computerprozessoren darstellen. Mit „Meltdown“ und „Spectre“ haben Daniel Gruss, Moritz Lipp und Michael Schwarz vom Institut für angewandte Informationsverarbeitung und Kommunikationstechnologie (IAIK) bereits im Vorjahr auf zwei Schwachstellen von Mikroprozessoren hingewiesen. Die daraufhin entwickelten Patches würden in diesem Fall nicht helfen. Das Erschreckende dabei: Bei der von den Grazer Experten entwickelten Angriffs-Software handle es sich um wenige Zeilen, wie Gruss gegenüber der APA schildert.

Neue Updates und Sicherheitslösungen werden jedenfalls notwendig. Die Forscher haben ihre Ergebnisse mit dem Prozessorenhersteller in den vergangenen Monaten und Wochen geteilt. „Wir haben keine vollständigen Infos, aber wir wissen, dass es Sicherheitspatches geben wird“, sagt Gruss. Mit der bekannt gewordenen Sicherheitsschwachstelle des Chatdienstes WhatsApp, die die Installierung von Überwachungssoftware ermöglicht hat, haben die beiden entdeckten Angriffswege laut dem Experten nichts zu tun.

Updates empfohlen

Für Intel kommen die jüngsten Ergebnisse laut Gruss nicht unerwartet. „Andere Teams haben ähnliche Sachen entdeckt, wir haben uns nach ‚Meltdown‘ und ‚Spectre‘ schon wieder im März 2018, im Jänner und zuletzt im April mit Teilergebnissen bei Intel gemeldet“, so Gruss. „Intel hat das Problem auch schon intern entdeckt und war vorbereitet.“ Seither werde an einer Lösung gearbeitet. „Alle Computer-Nutzerinnen und -Nutzer sollten dringend alle neuen Updates einspielen, damit die Computersysteme wieder sicher sind“, betont Gruss.

„ZombieLoad“ nutze einen ähnlichen Ansatz wie „Meltdown“: Um schneller arbeiten zu können, bereiten Computersysteme mehrere Arbeitsschritte parallel vor und verwerfen dann jene wieder, die entweder nicht gebraucht werden oder für die es keine notwendigen Zugriffsrechte gibt. „Aufgrund der Bauweise von Prozessoren muss dieser immer Daten weitergeben. Der Check der Zugriffsrechte passiert aber erst, wenn bereits sensible Rechenschritte vorausgearbeitet wurden, die auf Annahmen des Computersystems beruhen. In diesem kurzen Moment zwischen Befehl und Check können wir mit der neuen Attacke die bereits geladenen Daten von anderen Programmen sehen“, erklärt Gruss. Die Grazer IT-Experten konnten bei ihren „Angriffen“ im Klartext mitlesen, was gerade am Computer gemacht wurde.

Für „Meltdown“ gab es mit dem vom TU Graz-Team entwickelten KAISER-Patch eine einfache Lösung, die die Geschwindigkeit des Computers beeinträchtigte. Für Angriffe nach dem „ZombieLoad“-Prinzip könnte sich die Problembehebung schwieriger gestalten, so Gruss. „Jede CPU hat mehrere Kerne und jeder Kern ist noch einmal geteilt. So können mehrere Programme gleichzeitig laufen. Wir glauben, dass einer dieser zwei Bereiche gelöscht werden muss.“

Leistungseinbußen erwartet

Laut Gruss würde das aber Leistungseinbußen von „30 bis 50 Prozent“ bedeuten. Für eine Cloud, die von der Angriffsmethode ebenfalls bedroht ist, hieße das 50 Prozent weniger mögliche Nutzerinnen und Nutzer auf der gleichen Hardware. Betroffen seien alle von Intel entwickelten Prozessoren, die zwischen 2012 und Anfang 2018 hergestellt wurden.

„Store-to-Leak Forwarding“ nutzt ebenso die optimierte Arbeitsweise von Computerprozessoren aus und liest im Voraus geladene Daten aus: „Der Computer geht davon aus, dass ich Daten, die ich gerade in den Prozessor geschrieben habe, auch gleich wieder weiterverwenden möchte. Also behält er sie im Buffer, um schneller darauf zugreifen zu können“, wie Gruss erklärt. Sicherheitsangriffe können von dieser Arbeitsweise profitieren, um die Architektur des Computerprozessors auszuforschen und den genauen Ort zu finden, an dem das Betriebssystem ausgeführt wird. „Wenn ich weiß, wo genau das Betriebssystem vom Prozessor ausgeführt wird, dann kann ich gezielt Angriffe auf Lücken im Betriebssystem starten“, so Gruss. Die Forschung wurde über das ERC-Projekt Sophia, das Projekt DESSNET und das Projekt ESPRESSO sowie aus einer Spende vom Hersteller Intel finanziert.

science.ORF.at/APA

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