Tigerhaie fressen Singvögel

Singvögel kennt man aus dem eigenen Garten. Doch manchmal müssen auch sie übers Meer. Nicht jedes Tier schafft diese Reise: Wie Forscher nun berichten, sammeln neugeborene Tigerhaie bevorzugt erschöpfte Zugvögel aus dem Meer.

Tigerhaie haben den Ruf, die „Müllschlucker des Meeres“ zu sein. Sie fressen fast alles, von Delfinen über Meeresschildkröten bis hin zu Reifen und anderem Müll. Aber bevor die Tiere zu ihrer vollen Größe von teils über fünf Metern heranwachsen, haben junge Tigerhaie eine ganz besondere Vorliebe. Das hat auch die Forscher um Marcus Drymon von der Mississippi State University überrascht: „Wenn Tigerhaie ein leichtes Fressen finden, schnappen sie zu“, sagt Mitautor Kevin Feldheim vom Field Museum in Chicago laut einer Mitteilung des Museums. „Aber ich hatte nicht erwartet, dass die Haie Singvögel fressen - sondern vielmehr Meeresvögel.“ Dies sei der erste Nachweis, dass Tigerhaie Vögel fressen, die vorrangig an Land leben.

Forscher untersuchen den Mageninhalt eines Tigerhais

Marcus Drymon

Forscher untersuchen den Mageninhalt eines Tigerhais

Der Grund: Die Haie sind Opportunisten. Sie fressen die Singvögel – darunter Sperlinge, Schwalben und Zaunkönige – vor allem zur Zeit des Vogelzugs. Die meisten Landvögel fielen den Haien im Herbst und im Frühling zum Opfer. „Die Zeit, zu der wir einen bestimmten Vogel im Magen eines Hais fanden, deckte sich immer mit der Zeit, zu der diese Vogelart besonders oft vor der Küste gesichtet wurde“, berichtet Drymon. Die Tigerhaie schnappen sich demnach jene Vögel, die es nicht mehr über den Ozean schaffen. „Während ihrer Wanderung sind die Vögel erschöpft, sie werden müde oder fallen beispielsweise bei einem Sturm ins Meer“, fügt Feldheim hinzu.

Mageninhalt analysiert

Die Forscher untersuchten im Zeitraum von 2010 bis 2018 insgesamt 105 Haie im Golf von Mexiko. Sie fingen die etwa einen Meter langen Jungtiere, pumpten ihnen den Magen aus und entließen sie dann unversehrt ins Meer. Der gesammelte Mageninhalt wurde anschließend untersucht – auch genetisch, da die Vögel oft schon teilweise verdaut und daher schwer zu identifizieren waren.

Von den 105 untersuchten Tieren hatten 41 Vögel gefressen. „Darunter war nicht eine Möwe, kein Pelikan, Kormoran oder sonstiger Meeresvogel“, erzählt Drymon. „Es waren ausschließlich Landvögel – die Sorte, die in ihrem Garten wohnt.“ Die Forscher konnten elf verschiedene Vogelarten identifizieren, darunter Rauchschwalben, verschiedene Zaunkönige, aber auch Tauben, Spechte und Blässhühner.

Potenziell gefährdet

Tigerhaie werden fast so groß wie Weiße Haie, sind aber etwas schlanker. Sie leben in allen Ozeanen in tropischen und gemäßigten Küstenregionen und können auch Menschen gefährlich werden. Auf der Roten Liste der Weltnaturschutzunion IUCN werden Tigerhaie als potenziell gefährdet eingestuft. „Alle Haie sind in Schwierigkeiten“, sagt Kevin Feldheim. „Wir wissen nicht, inwieweit die industrialisierte Fischerei ihnen zugesetzt hat, aber die Bestände der meisten großen Raubtiere sind in den letzten Jahren zurückgegangen.“ Die nun in „Ecology“ erschienene Studie erlaube neue Einblicke, wie die Tigerhaie leben, und könne auch helfen, sie zu schützen.

science.ORF.at/APA/dpa

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