„Drohne“ in Affensprache

Mit Rufen warnen Meerkatzen ihre Artgenossen vor Feinden, aber auch vor neuen Gefahren. Denn sie begreifen schnell, was z. B. Drohnen in der Luft bedeuten. Laut Forschern ist dieses Verständnis eine wichtige Voraussetzung für die Entwicklung von Sprache.

Grünmeerkatzen im Osten Afrikas haben unterschiedliche Feinde: Schlangen, Leoparden und Adler. Um ihre Artgenossen vor einem drohenden Angriff zu warnen, verwenden die Primaten drei verschiedene Warnrufe. Etwas anders ist es bei den Grünmeerkatzen im Westen Afrikas. „Die westafrikanischen Meerkatzen haben zwar auch fast gleiche Alarmrufe für Leoparden und Schlangen, aber lustigerweise keinen für Adler“, erklärt die Studienleiterin Julia Fischer vom Deutschen Primatenzentrum. Sie beforscht die Meerkatzen nun seit zehn Jahren im Senegal.

Westliche Grünmeerkatze in freier Wildbahn

Julia Fischer

Um zu testen, was die Tiere machen, wenn plötzlich Gefahr von oben droht, haben die Forscher Drohnen über die Köpfe der westafrikanischen Affen fliegen lassen. Schnell hatten auch die westafrikanischen Affen Warnlaute, um die anderen vor dem Luftangriff der Drohnen zu warnen. Die Tiere erfanden hierfür aber keine neuen Signale, sondern verwendeten exakt denselben Warnruf, wie ihre ostafrikanischen Gattungsgenossen für Adler.

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„Drohne“: Warnsignale einer westafrikanischen Meerkatze

Credit: Franziska Wegdell

Nach drei Mio. Jahren: Warnlaute gleich

Das sei mehr als beachtlich, so Fischer. Immerhin sind die beiden Affengattungen aus West- und Ostafrika seit rund drei Millionen Jahren voneinander getrennt. Dass eine Meerkatze aus Westafrika den Laut zuvor schon einmal zufällig von einem Verwandten aus dem Osten gehört haben könnte, schließt die Biologin aus. Folglich müsse der Warnruf genetisch verankert sein. „Die Struktur des Rufes ist offensichtlich genauso angeboren wie der Umstand, dass die Affen Alarm schlagen, wenn sie aus der Luft bedroht werden. Jetzt müssen die Genetiker ran, um nachzusehen, warum das so ist.“

Wie sich im Experiment weiter zeigte, lernen die westafrikanischen Grünmeerkatzen zudem sehr schnell. Schon beim zweiten Versuch, als die Forscher den Affen das Geräusch von Drohnen nur mehr vorspielten, reagierten die Meerkatzen: Sie warnten einander, sahen nach oben und versteckten sich.

Indem die westlichen Meerkatzen schnell erkannt haben, was die Drohnen über ihren Köpfen bedeuten, zeige sich letztlich eine wichtige Voraussetzung für die Entwickelung von Sprache: Verstehen. „In der Evolution und der Entwicklung der Sprache kommt das Verstehen zuerst. Danach kommt erst das Reden.“

Evolution: Korken poppte aus der Flasche

Dass Menschen zu dem Fluggerät „Drohne“ sagen können und die Meerkatzen nicht, liegt nicht daran, dass die Affen nicht schlau genug sind. Sie sind - vereinfacht gesagt - genetisch blockiert. Beim Menschen wiederum, so die Theorie, muss sich das Genom und damit auch die Struktur des Gehirns im Laufe der Evolution plötzlich so verändert haben, dass Sprache möglich wurde, erklärt Fischer.

„Irgendwie ist da der Korken aus der Flasche gekommen. Eine Beschränkung wurde gelöst, woraufhin sich in relativ kurzer Zeit wahnsinnig viel entwickelt haben muss.“ Vermutlich ist die entscheidende Veränderung vor rund 300.000 Jahren passiert, nachdem große Menschenaffen und Menschen in ihrer Entwicklung getrennte Wege einschlugen, meint Fischer. Heute lernen wir Menschen Sprache – wir verstehen, machen andere nach und entwickeln unseren aktiven Wortschatz innerhalb kürzester Zeit. Das alles können Affen nicht.

Die Meerkatzen sind übrigens nicht die einzige Affengattung, bei denen sich die Laute selbst über große Distanzen hinweg kaum entwickelt haben. „Dasselbe finden wir bei den Pavianen sowie bei den Makaken in Afrika. Warum es wiederum zwischen den Gattungen Unterschiede gibt, wissen wir nicht. Hier scheint es nichtlineare Entwicklungen in der Evolution zu geben.“

Ruth Hutsteiner, Ö1-Wissenschaft

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