Das Hochhaus der Zukunft ist aus Holz

Dank Holz könnten die Häuser und Städte von morgen nachhaltig, energieeffizient und naturnah sein. Holzwolkenkratzer und neue Verarbeitungsmethoden wollen dem traditionellen Baustoff nun ein neues Image fernab der bäuerlichen Scheune verpassen.

Holzhäuser haben ein kleines PR-Problem, sagt der südkoreanische Holzforscher Kug-bo Shim - so angenehm und romantisch man sich das Wohnklima vorstellt, die erste Frage dreht sich trotzdem immer um das Feuer. Dabei brenne Holz eigentlich eher langsam, erklärt Shim, der einer der internationalen Experten bei einem Kongress (Future of Building) in Wien war. Bei entsprechender Dicke hielte eine Holzstrebe sogar länger einem Brand stand als ein erhitzter Stahlbau, bevor die Struktur kollabiert.

Stapel von gefällten Baumstämmen

APA/ROLAND SCHLAGER

Holz ist ein nachwachsender Rohstoff

Aber natürlich: Holz kann brennen, doch der moderne Holzbau sei ähnlich sicher planbar wie jedes andere Bauprojekt, meint Kug-bo Shim. Der Holzbau heute arbeitet meist mit zusammenlaminierten Holzschichten, sodass man die Eigenschaften so präzise planen könne wie die von Ziegeln. Das Material - bekannt als CLT oder Brettsperrholz - ist ähnlich tragkräftig wie Stahlbeton und wenn man die äußerste Schicht vor der ersten Klebefuge entsprechend dick aufbringt, auch ähnlich feuerbeständig, dabei leichter und ein nachwachsender Rohstoff.

Höher, hölzerner, hübscher

Das Wettrennen um immer höhere Häuser aus Holz, das sich gerade weltweit abspielt, soll wohl dem Holzbau ein neues Image fernab der bäuerlichen Scheune verschaffen. In Japan plant eine Firma einen 350 Meter hohen Holzturm mit 70 Stockwerken, der allerdings erst 2040 (zum 350. Geburtstag der auftraggebenden Firma Sumitomo) stehen soll.

In Europa und Nordamerika sind zahlreiche nicht ganz so ambitionierte Projekte in Planung, in Europa gibt es schon ein paar wenige Holzhochhäuser - eines mit 24 Geschoßen steht seit Kurzem in Wien. HoHo heißt dieser Vorbote der Zukunft, den Kug-Bo Shim auch besichtigen will. Er wünscht sich, dass der Doppelturm nicht nur in Wien-Aspern, sondern auch am Beginn eines “wooden age“ steht - eines hölzernen Zeitalters.

Nachhaltig und gesund

Die Weltbevölkerung wächst, bis zum Jahr 2050 werden mehr als zwei Drittel in Städten leben, und sie werden neue Häuser brauchen. Dem heutigen Bausektor wird meist ein Drittel der Emissionen zugeschriebenen, die zum Klimawandel beitragen. Holz könne als oft nachwachsendes Material, das meist auch regional ist, einiges zum Erreichen der Klimaziele beitragen.

Rendering des Holzhochhauses HoHo in Wien Aspern

APA/RLP RÜDIGER LAINER + PARTNER ARCHITEKTEN, HoHoWien

Zeichnung des Holzhochhauses HoHo in Wien Aspern

Dazu kommt, dass Holz die Städte kühler halten würde, weil es Hitze nicht so speichert wie Beton oder Asphalt, und es bietet ein angenehmeres Wohnklima – mit gesundheitlichen Vorzügen: Ausgeglichene Luftfeuchtigkeit, aromatische Öle aus dem Holz oder Schallabsorption spielen mit, außerdem gehört Holz zu den Baustoffen, die am wenigsten mit Radon belastet sind. Kug-Bo Shim meint, man müsse auch nicht bei Holzhochhäusern aufhören – Straßenbeläge, Laternenmaste, Busstationen. Dass uns das Holz dabei auch irgendwann ausgehen könnte, glaubt der Südkoreaner vom dortigen forstwissenschaftlichen Institut nicht, das ließe sich managen.

Materialforschung klopft auf Holz

Doch für weitere Anwendungen, braucht es noch mehr Wissen, und man versucht auch das Material Holz immer besser zu verstehen: Der Holzforscher Mark Schubert von der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt in der Schweiz will mithilfe eines künstlichen neuronalen Netzwerks, riesige Datenmengen über die Eigenheiten von Hölzern auswerten, über Struktur und Zusammensetzung oder mechanische Eigenschaften des Holzes, Herkunft, Klima, Wetter, Lagerung – alles was er finden kann.

Schwerpunkt „Mutter Erde“

„Verwenden statt verschwenden“ ist das Motto des diesjährigen „Mutter Erde“-Schwerpunktes, der sich von 5. bis 16. Juni 2019 in allen ORF-Medien in Fernsehen und Radio sowie online und im ORF TELETEXT der Wegwerfgesellschaft und den Folgen unseres Konsums widmet.

So will er verstehen, wie die Eigenschaften von verschiedenen Hölzern eigentlich entstehen. Idealerweise will Schubert mit einigen Herkunftsdaten schon vor der Einbringung der Stämme voraussagen können, welches Holz zum Beispiel besser für Geigen und Gitarren eingesetzt würde, und welches für bauliche Konstruktionen.

Vor allem arbeitet er aber derzeit an einer Art Impfung gegen Pilzbefall von Holz, das zu viel Feuchtigkeit aufnimmt. Erstmals, sagt er, sei es gelungen das dafür notwendige Molekül richtig an die Holzstruktur zu binden.

Traditionen und neue Technik

Technisch möglich ist Holzbau im großen Stil theoretisch auch jetzt schon - allerdings stehen die Kosten im Weg. Aber nicht, weil der Rohstoff so teuer wäre, erklärt Robert Wimmer von der Gruppe zur Förderung für Angepasste Technologie an der TU Wien - der dort selbst moderne Häuser aus Holz und Stroh entwickelt: „Die Mehrkosten, die wir bei unseren Projekten, unseren Häusern haben, sind eigentlich der Prototypentwicklungsaufwand.“

Die traditionelle Erfahrung und moderne Standards im Holzbau fehlen, sagt auch Kug-Bo Shim. Korea hätte eine alte Holzbaukultur gehabt, aber viel von diesem Wissen sei verloren gegangen, europäische Importe wie skandinavische Blockhütten seien nicht passend für das verfügbare Holz. Die neue koreanische Holzbaukultur stütze sich aber auf einige Elemente, die man sich von alten Häusern abgeschaut hat: z.B. lange Dächer, die Außenpfosten vor Regen schützen, und Plattformbauten, die dasselbe mit Nässe vom Boden tun.

Ö1-Sendungshinweis

Dem Thema widmet sich auch ein Beitrag im Morgenjournal am 6.6. um 7:00

Holzhäuser wirklich günstiger machen würde smarter Fertigteilbau für Holz- und Holzhybridbauteilen. Diese Industrie steht aber erst am Beginn. Robert Wimmer und sein Team entwickeln heute viele Neuerungen gezwungenermaßen selbst. Zum Beispiel eine große Schraube für Fassadenteile, die aus einem Biopolymer besteht, das Wimmer als „flüssiges Holz“ bezeichnet. Sein Ziel ist es derzeit, ein CO2-neutrales Haus zu bauen, das ökologisch und energieeffizient durchgeplant ist. Im „Life Cycle Habitat“ sollen dann Interessierte probewohnen können. Wer ein solches Holzhaus erlebt, sagt Wimmer, wird überzeugt. Weniger beeindruckend für die Presse als ein Holzwolkenkratzer, aber vielleicht effizientere PR – damit auch im städtischen Dschungel statt Beton und Kunststoff bald Pflanzen und Holz übernehmen.

Isabella Ferenci, Ö1-Wissenschaft

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