Schon vor 2.500 Jahren wurde gekifft

Aus Hanfpflanzen wurden bereits vor Jahrtausenden Öle und Stoffe hergestellt. Auch als Rauschmittel dürften sie schon ähnlich lange verwendet werden. Laut einer neuen Studie wurde Cannabis schon vor 2.500 Jahren in China verbrannt und vermutlich inhaliert.

Schon mindestens 3.500 vor Christus wurden Hanfpflanzen (Cannabis) in Ostasien angebaut, um Öle aus ihren Samen und Seile oder Stoffe aus ihren Fasern herzustellen. Seit wann Menschen allerdings bekannt ist, dass bestimmte Bestandteile der Pflanze psychoaktive Substanzen enthalten, war lange unklar. Einen der wenigen Hinweise lieferte der antike griechische Geschichtsschreiber Herodot, der um das Jahr 450 vor Christus lebte und in seinen „Historien“ von den Skythen berichtete, einem Nomadenvolk aus dem heutigen Südrussland, das sich am Dampf von erhitztem Cannabis berauscht habe.

Dicht wachsende wilde Hanfpflanzen bedecken weite Flächen in den Bergausläufern Eurasiens vom Kaukasus bis nach Ostasien; diese Pflanzen wurden in den Tian-Shan-Bergen Kasachstans fotografiert

Robert Spengler

Dicht wachsende wilde Hanfpflanzen bedecken weite Flächen in den Bergausläufern Eurasiens vom Kaukasus bis nach Ostasien; diese Pflanzen wurden in den Tian-Shan-Bergen Kasachstans fotografiert.

Für diesen Rausch verantwortlich ist Tetrahydrocannabinol (THC), welches in getrockneten Cannabis-Blättern, Blüten und Blütenständen vorkommt. Früh kultivierte Hanfsorten sowie die meisten Wildbestände haben einen eher geringen THC-Anteil, während dieser bei speziell für die Haschisch- oder Marihuana-Produktion gezüchteten Pflanzen seit Jahren steigt.

Chemische Spuren

Dass der THC-Anteil Cannabis-Konsumenten schon vor 2.500 Jahren wichtig war, legt nun die Untersuchung von über zehn hölzernen Räuchergefäßen nahe, die im östlichen Teil des Pamirgebirges in China gefunden wurden. Als die Wissenschaftler vom Max-Planck-Instituts (MPI) für Menschheitsgeschichte in Jena, der Chinesischen Akademie der Wissenschaften sowie der Chinesischen Akademie der Sozialwissenschaften versuchten, deren Funktionsweise festzustellen, entdeckten sie überraschenderweise Verbindungen, deren chemische Signatur genau der von Cannabis entsprach.

Gefäß, in dem vor 2.500 Jahren Cannabis verbrannt wurde

Xinhua Wu

In solchen Gefäßen wurde vor 2.500 Jahren Cannabis verbrannt

Und mehr noch: Die Daten belegten, dass die Menschen damals Cannabissorten mit einem höheren THC-Gehalt verbrannten. Nicht festgestellt werden konnte indes, ob die Menschen jene Sorten selbst anbauten oder gezielt sammelten. Auch ob und wie sie den Rauch genau inhalierten geht aus der Studie nicht hervor.

Die Räuchergefäße stammten von der Begräbnisstätte Jirzankal. Während jene hoch gelegenen Bergpässe heute eher abgelegen sind, scheinen sie früher auf einer der Hauptrouten der Seidenstraße gelegen zu haben. Das deuten zumindest manche der geborgenen Artefakte an, welche Spuren von Kulturen anderer Regionen, vor allem aus Zentralasien enthielten. Zudem belegten einige der menschlichen Überreste, dass nicht alle dort gestorbenen Menschen auch vor Ort aufgewachsen waren.

Teil von Begräbnisritualen

„Die Austauschrouten der frühen Seidenstraße funktionierten eher wie die Speichen eines Wagenrads als wie eine Fernstraße und rückten Zentralasien in den Mittelpunkt der damaligen Welt“, erklärt Robert Spengler, leitender Archäobotaniker: „Unsere Studie impliziert, dass das Wissen über das Rauchen von Cannabis und spezifische Cannabissorten mit hohem Wirkstoffgehalt zu den kulturellen Traditionen gehören, die sich entlang dieser Routen ausbreiteten.“

Grabstätte in China, in der verbranntes Cannabis gefunden wurde

Xinhua Wu

In dieser Grabstätte wurden die Räuchergefäße gefunden

Vermutlich verbrannten die Menschen von Jirzankal Cannabis bei Ritualen zum Gedenken an ihre Toten, die sie in Gräbern vergruben, über denen sie kreisförmige Hügel, Steinringe und Streifenmuster aus schwarzen und weißen Steinen schufen. Die Autoren der Studie mutmaßen, dass die Hanfpflanzen geraucht wurden, um mit den Toten oder göttlichen Mächten in Kontakt zu treten.

Droge oder Heilmittel?

Heute wird Cannabis vor allem als Freizeitdroge oder zu medizinischen Zwecken genutzt. Rund um den Globus wird dabei über seine Risiken diskutiert, nicht nur wegen der Gefahr der Abhängigkeit, sondern auch wegen möglicher psychischer Langzeitfolgen. Nichtsdestotrotz ist Cannabis weltweit die am häufigsten konsumierte illegale Substanz, die Schätzungen der Vereinten Nationen zufolge von 125 bis 227 Millionen Menschen genommen wird.

Die derzeitigen politischen Debatten können durch archäologische Untersuchungen wie ihre ergänzt werden, so die Hoffnung der Autoren. „Die modernen Sichtweisen auf Cannabis variieren kulturübergreifend enorm, aber es ist klar, dass die Pflanze über Jahrtausende hinweg durch den Menschen genutzt wurde, sei es medizinisch, rituell oder zur Entspannung“, sagt Archäobotaniker Spengler.

science.ORF.at/APA/dpa

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