Zehn Minuten im Meer verändern Haut

Die Haut des Menschen ist von unzähligen Kleinstlebewesen besiedelt. Diese Hautflora schützt vor Krankheiten und hängt stark von der Umgebung ab. Schon zehn Minuten Schwimmen im Meer verändern sie grundlegend, wie US-Forscherinnen berichten.

Die üblicherweise vorherrschenden Mikroorganismen werden abgewaschen, winzige Meeresbewohner ersetzen sie – zumindest kurzfristig. „Unsere Daten zeigen zum ersten Mal, dass Meereswasser die Zusammensetzung und Vielfalt des menschlichen Hautmikrobioms verändern kann“, sagt Marisa Nielsen von der University of California. Gemeinsam mit Sunny Jiang stellte sie die Studie am Wochenende bei der Jahrestagung der US-Gesellschaft für Mikrobiologie in San Francisco vor.

Erste Verteidigungslinie des Körpers

Die Haut ist das größte menschliche Organ, ein komplexes und dynamisches Ökosystem, das von zahlreichen Mikroorganismen bevölkert ist, etwa von Bakterien und Pilzen. Ihre Zusammensetzung ist höchst individuell, das hat mit der Genetik und dem Verhalten des jeweiligen Menschen zu tun, aber auch mit der Umgebung, in der er lebt. Aus immunologischer Sicht ist die Haut die erste Verteidigungslinie des Körpers, sie schützt davor, dass Krankheitserreger eindringen können.

Verändert sich die Hautflora, kann das dementsprechend anfälliger für Krankheiten machen. Frühere Studien berichteten etwa über häufigere Infektionen nach Meeresbesuchen, speziell bei verunreinigtem Wasser. Um den Zusammenhang genauer zu untersuchen, haben die US-Forscherinnen nun die Hautflora von neun Freiwilligen am Strand von Huntington Beach in Kalifornien überprüft. Bei diesen war vorausgesetzt, dass sie keine Sonnencreme verwendeten, nicht regelmäßig im Meer schwammen und in den vergangenen sechs Monaten keine Antibiotika zu sich nahmen.

Eine Frau geht gerade in ein türkisfarbenes Meer

APA/AFP/Valery Hache

Cholera-Verwandten entdeckt

Nielsen und Jiang nahmen von den Studienteilnehmern Hautfloraproben knapp vor dem Meeresbesuch, zehn Minuten – und nach einer Lufttrocknung – danach sowie nach sechs bzw. 24 Stunden. Ergebnis: Vor dem Schwimmen war die Zusammensetzung des Hautmikrobioms sehr individuell, kurz danach sehr ähnlich – sie hatte sich grundlegend geändert. Herrschten erst Bakterien wie Staphylokokken und Streptokokken vor, waren es danach Meeresbakterien wie Ulvibacter und Formosa.

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Dem Thema widmet sich auch ein Beitrag in Wissen aktuell: 24.6., 13:55 Uhr.

"Sehr interessant war, dass wir nach dem Schwimmen bei allen Teilnehmern Bakterien aus der Gattung Vibrio gefunden haben“, sagte Nielsen. „Wir haben sie genauer untersucht, weil wir wissen, dass einige Arten davon Krankheiten verursachen können“, meinte sie gegenüber science.ORF.at. Die bekannteste Art ist der Cholera-Erreger Vibrio cholerae – den die Forscherinnen freilich nicht fanden, sie haben nur die Gattung bestimmt.

Offenbar verfügen die Vibrio-Bakterien über eine ausgeprägte Fähigkeit, sich auf der menschlichen Haut anzuhaften. Ihr Anteil im Wasser war mehr als zehnmal geringer als auf der Haut, sagt Nielsen.

Duschen nach dem Schwimmen empfehlenswert

Viele der Vibrionen machen nicht krank, betonen die Forscherinnen. Nach sechs Stunden waren sie noch immer auf der Haut aller Probanden, erst nach 24 Stunden nahezu überall verschwunden. Zu diesem Zeitpunkt näherte sich die Hautflora wieder dem ursprünglichen Zustand an, die Probanden hatten also wieder ihr individuelles Profil zurück – so wie vor dem Meeresbesuch.

Mit ihrer Arbeit solle niemand abgeschreckt werden, im Meer zu schwimmen, betont Nielsen. „Wir wissen, dass man sich über die Umgebung infizieren kann, der Ozean ist da keine Ausnahme. Ich würde deshalb eine Dusche nach dem Schwimmen empfehlen!“

Lukas Wieselberg, science.ORF.at

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