Kabeljau verliert „Supergene“

Durch Überfischung sind die Kabeljau-Bestände bereits drastisch geschrumpft. Besonders betroffen sind laut Forschern Tiere, die sehr weit schwimmen können. Das verdanken sie Genen, die nun ganz verschwinden könnten - eine weitere Gefahr für die Art.

Ob als frittiertes Fischstäben oder als getrockneter Stockfisch - wenige Speisefische sind auf der ganzen Welt so beliebt wie der Kabeljau. Einst gab es auch noch mehr als genug davon. Er schwamm in riesigen Schwärmen durch die nördlichen Meere. Schon bei den Wikingern war er ein begehrtes Handelsgut, mit dem sie sogar die Mitteleuropäer versorgten.

Seine Beliebtheit wurde ihm im vergangenen Jahrhundert allerdings fast zum endgültigen Verhängnis. Durch die industrielle Fischerei schrumpften die Bestände mancherorts um über 90 Prozent. Kanada sah sich daher 1992 veranlasst, ein komplettes Fangverbot für den Kabeljau vor Neufundland auszusprechen. Es gilt bis heute. Mit Fangquoten versucht man seither in anderen Regionen, das Schlimmste zu verhindern.

Fish and Chips in der Tüte

AP Photo/Kirsty Wigglesworth

Auch „Fish and Chips“ werden traditionellerweise mit Kabeljau zubereitet.

Zum Teil haben sich die Bestände heute wieder etwas erholt, aber von den historischen Fischschwärmen sind sie weit entfernt. Die Klimaerwärmung macht dem kälteliebenden Kabeljau zusätzlich zu schaffen. Seit den 1980er Jahren beobachten Forscher außerdem, dass die Fische immer früher geschlechtsreif und kleiner werden. Das zeige, dass die Überfischung nicht nur die Bestände dezimiert, sondern auch die Art selbst verändert hat, schreibt das Team um Tony Kess vom kanadischen Northwest Atlantic Fisheries Centre in seiner aktuellen Studie.

Genetische Vielfalt bedroht

Es sei zu befürchten, dass auch die Vielfalt innerhalb der Art verlorengeht. Denn genetisch gebe es große Unterschiede zwischen einzelnen Untergruppen, die an ihren jeweiligen Lebensraum angepasst sind. Manche ziehen durch die offenen Gewässer fernab des Festlands, andere leben relativ stationär in Küstennähe. Spezielle Gene verleihen der ersten Gruppe gewissermaßen „Superkräfte“. Sie sorgen dafür, dass die Schwimmblase und die Muskeln optimal arbeiten. Daher könne die Tiere mühelos durch alle Tiefen schwimmen und große Distanzen überwinden.

Wie Kess und sein Kollegen nun berichten, haben besonders jene Bestände unter der Überfischung gelitten, deren Individuen zwei Kopien dieser „Supergene“ besitzen. Jene, die nur eine Kopie oder gar keine besitzen, waren weniger betroffen. Wenn der Kabeljau weiter extensiv genutzt wird, könnten die „Supergene“ somit ganz verschwinden. Das könnte wiederum die Verbreitung der ganzen Art einschränken. Generell fürchten die Forscher, dass die schwindende genetische Vielfalt die ohnehin schon drastisch reduzierten Speisefische in Zukunft noch anfälliger machen wird.

Eva Obermüller, science.ORF.at

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