Wenn das Geschlecht über den Asylantrag entscheidet

Das Geschlecht von Asylsuchenden wie von Richtern kann über den Ausgang des Asylverfahrens entscheiden. Eine Analyse zeigt: Richterinnen gewähren eher Asyl, und Frauen haben höhere Chancen, wenn ihr Richter vorwiegend Anträge von Männern bearbeitet.

Nach Angaben der Wissenschaftler in einer Aussendung der Uni Wien fielen im Untersuchungszeitraum zwischen 2008 und 2013 rund 31 Prozent der 40.000 Urteile des Asylgerichtshofs positiv aus. 42 Richter und 39 Richterinnen bearbeiteten durchschnittlich jeweils rund 90 Fälle pro Jahr. Dabei hatten sie mit einem höchst unterschiedlichen Geschlechterverhältnis zu tun: Während einzelne Richterinnen bzw. Richter ein Jahr lang keinen einzigen Antrag einer Frau bearbeiteten, hatten andere zu fast zwei Dritteln mit Antragstellerinnen zu tun. Grund dafür ist u.a., dass Richter für bestimmte Länder oder Regionen zuständig sind.

In ihrer Studie zeigen die Politikwissenschaftler Alejandro Ecker von der Uni Mannheim und die beiden Uni-Wien-Forscher Laurenz Ennser-Jedenastik und Martin Haselmayer, dass Richter beiderlei Geschlechts, die vorwiegend Fälle männlicher Antragsteller bearbeiteten, eher zu Gunsten von Frauen entschieden. Die Chancen von weiblichen Asylsuchenden waren in diesem Fall um 17 Prozentpunkte erhöht. Bei Richtern, die annähernd ausgeglichen mit weiblichen und männlichen Antragstellern zu tun haben, zeigten sich dagegen keinerlei geschlechtsspezifische Unterschiede.

Richterinnen entscheiden positiv

Auch das Geschlecht des Richters hat Einfluss auf den Ausgang des Verfahrens: Richterinnen seien generell eher geneigt, Asyl zu gewähren, als ihre männlichen Kollegen, betonen die Wissenschaftler. Demnach lag bei Richterinnen die Chance auf eine positive Entscheidung um rund neun Prozentpunkte höher - und zwar unabhängig vom Geschlecht der Antragsteller. Männliche Richter urteilten strenger, seien dabei aber ebenfalls neutral bezüglich des Geschlechts der Asylsuchenden.

Die Wissenschaftler betonen, nicht untersucht zu haben, ob einzelne Entscheidungen richtig oder falsch waren. „Auch treffen wir keine Aussage darüber, ob Frauen zu nachsichtig oder Männer zu streng behandelt werden oder urteilen. Aber wir stellen fest, dass Asylanträge von Männern und Frauen unter Umständen ungleich behandelt werden. Und da Asylentscheidungen Grundrechte sowie den Rechtsstaat als Ganzes betreffen, halten wir das für ein Problem“, erklärt Ennser-Jedenastik.

Um den beobachteten Geschlechtereffekten gegenzusteuern, schlagen die Forscher vor, Asylanträge und Beschwerden von geschlechterparitätisch besetzten Gremien entscheiden zu lassen. Auch das Geschlechterverhältnis in der Fallzuteilung an die Richter könnte berücksichtigt werden.

science.ORF.at/APA

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