„Schlussstrich unter das Verdrängen“

Die Winzer Krems haben die Aufarbeitung ihrer Gründungsgeschichte in der NS-Zeit großteils abgeschlossen. Die wesentlichen Erkenntnisse wurden am Mittwoch von der Historikerin Brigitte Bailer-Galanda präsentiert.

Die nun vorliegenden Ergebnisse seien ein „Schlussstrich unter das Verdrängen“, betonte Franz Bauer, Obmann der Winzer Krems, bei einer Pressekonferenz in der Sandgrube 13. Die Winzergenossenschaft Krems sei am 3. Juli 1938, also „genau vor 81 Jahren“ gegründet worden. „Über das große Unrecht, das damals geschah, wurde viel zu lange geschwiegen.“

Fall von Arisierung

Mit den kritischen Aspekten der eigenen Geschichte wurden die Winzer Krems im Zuge der Publikation von „Der Wein des Vergessens“ durch die Autoren Bernhard Herrman und Robert Streibel konfrontiert. Teile des Weingutes - eine Kellerei mit drei Gebäuden, Inventar und etwa 2,2 Hektar Grund - hatten bis 1938 dem jüdischen Weinhändler Paul Robitschek und dessen Mutter Johanna Robitschek gehört. Ihre Besitzungen wurden in Folge des „Anschlusses“ an Deutschland arisiert.

Ein von Paul Robitschek mit seinem stillen Teilhaber August Rieger im April 1938 abgeschlossener Kaufvertrag über die Kellerei samt Weingärten wurde niemals rechtsgültig. Diese Vereinbarung war von Robitschek angestrebt worden, weil er aufgrund der aufkeimenden Verfolgung von Juden Gefahr für seinen Besitz erkannt hatte.

Franz Ehrenleitner, Historikerin Brigitte Bailer-Galanda, Juana-Charlotta Robitschek sowie Franz Bauer bei der Enthüllung einer Gedenktafel in Krems.

APA - Christopher Eckl

Franz Ehrenleitner, Historikerin Brigitte Bailer-Galanda, Juana-Charlotta Robitschek sowie Franz Bauer bei der Enthüllung einer Gedenktafel in Krems.

„In Folge des sogenannten Anschlusses an das Deutsche Reich haben einzelne Gründungsmitglieder der Genossenschaft - und hier vor allem der erste Obmann Franz Aigner - die speziellen Rahmenbedingungen der nationalsozialistischen Herrschaft gezielt ausgenutzt, um die Kellerei und einzelne Weingärten der Familie Robitschek in den Besitz der Genossenschaft zu bringen“, fasste Bailer-Galanda den rund 150 Seiten starken Bericht zusammen. Dieser soll im Herbst fertiggestellt werden und wird nach Angaben der Winzer Krems anschließend unter anderem auf der Unternehmenshomepage veröffentlicht.

Flucht und Ermordung

Während Paul Robitschek die Flucht vor der nationalsozialistischen Verfolgung gelang, wurde sein Mutter im März 1943 im Ghetto Theresienstadt „im eigentlichen Sinn“ ermordet, erklärte Bailer-Galanda. Nach offizieller Lesart verstarb die Frau infolge der Haftbedingungen. Paul Robitschek führte der persönliche Fluchtweg über Italien und Frankreich nach Caracas in Venezuela, wo er 1955 starb.

Nach Ende des Zweiten Weltkriegs einigte sich die Winzergenossenschaft Krems am 15. Mai 1949 mit Paul Robitschek auf eine Zahlung von 600.000 Schilling. Inwiefern der Betrag „tatsächlich angemessen war, kann aus heutiger Sicht nicht mehr beurteilt werden“, sagte Bailer-Galanda. Eine historische und moralische Aufarbeitung sei ausgeblieben.

Neue Gedenktafel

Konfrontiert mit den dunklen Seiten der Gründungsgeschichte sei man zuerst „nicht diskussionsbereit“ gewesen, räumte Winzer-Krems-Geschäftsführer Franz Ehrenleitner ein: „Zu fern schien das Geschehene, sowohl zeitlich als auch persönlich.“ Später habe sich aber folgender Ansatz manifestiert: „Wer die eigene Geschichte nicht kennt oder gar leugnet, hat auch keine Grundlage, seine Zukunft in Anstand zu meistern.“

Um das Vergangene in der Gegenwart sichtbar zu machen, wurde am Mittwoch auf dem Gelände der Sandgrube 13 eine Gedenktafel enthüllt, die an Paul und Johanna Robitschek erinnern soll. Anwesend war auch Juana-Charlotta Robitschek, die Nichte von Paul Robitschek. Sie betonte in einem kurzen Medienstatement, erst durch den Roman „Der Wein des Vergessens“ von der Geschichte ihres Onkels erfahren zu haben. Die Anbringung der Gedenktafel schätze sie sehr, weil dadurch „auch künftige Generationen davon wissen“.

science.ORF.at/APA

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