Wie man Algen zu Rohstoffen zerlegt

Mit wärmer werdenden Meeren werden auch Algenteppiche immer zahlreicher – eine ökologische und ökonomische Belastung. Wie man die enorme Biomasse als Rohstoffquelle nutzen könnte, haben nun Wiener Forscher gezeigt.

Im Mittelpunkt der Arbeit stand die Grünalgen-Gattung Ulva. Deren zunehmende Blüte sei ein globales Phänomen, bei dem jährlich allein an der Atlantikküste Frankreichs bis zu 100.000 Tonnen Biomasse angespült werden, schreiben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Fachjournal „Nature Chemical Biology“. Konkret analysierten sie, wie ein Meeresbakterium (Formosa agariphila) ein bestimmtes komplexes Kohlehydrat der Alge abbaut. Dieses macht bis zu 30 Prozent der Trockenmasse der Alge aus.

Bakterium bricht Zuckerketten auf

Dem Bakterium gelingt es ausgezeichnet, in einem komplizierten Vorgang dieses Kohlehydrat zu zerlegen. „Es bricht das Polysaccharid bis zu Monosacchariden runter, die es dann nutzt, um Energie zu erzeugen, oder wieder zu bakterieneigenen Produkten aufbaut, um zu wachsen“, erklärte Christian Stanetty vom Institut für Angewandte Synthesechemie der TU Wien. Damit ist das Bakterium Vorbild für eine etwaige zukünftige Nutzung der Algen. Denn auch dafür „muss man die großen Moleküle, die sie produzieren, in verwertbare Einzelteile zerlegen“.

Die Studie unter Leitung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Universität Greifswald in Deutschland zeigte, dass der Abbauprozess in mehreren Schritten unter Einsatz von zwölf verschiedenen Enzymen erfolgt. Das Ausgangsmolekül wird so in immer kleinere Bestandteile zerlegt. Aufgabe der Wiener Forscher war es, mit Hilfe von Kernspinresonanz-Spektroskopie und Massenspektrometrie zu klären, wie diese Bestandteile genau aussehen.

Das war teilweise durchaus überraschend, da manche Zerlegungsprodukte anders aussahen als erwartet. „Das zeigte uns dann, dass die Bakterien beim Abbau des Zuckers andere chemische Pfade einschlagen als gedacht“, so Stanetty.

Hilfreich für besseres Bioplastik

Die Forscher konnten auch herausfinden, welche Enzyme die Bakterien bei welchem Schritt nutzen. Diese Enzyme würden nun eine ganze Palette an Werkzeugen darstellen, um dieses komplexe Polysaccharid gezielt als Rohstoffquelle zu verwenden. „Denn durch Einsatz dieser Enzyme und das Wissen darüber, wie sie wirken, kann man erst an die Entwicklung technischer Fermentationsprozesse denken“, sagte Stanetty.

Vorerst werde man eher einfache Produkte nutzen, etwa spezielle Arten von Zuckern. „Aber je besser wir die Chemie dahinter verstehen, umso besser wird es gelingen, diese Algen auch als Ausgangsstoffe komplizierter Synthesen zu nutzen, bis hin zu Bioplastik“, sagte Institutsvorstand Marko Mihovilovic von der TU Wien. Vorstellbar sei nun auch, aus dem Algen-Kohlehydrat durch Fermentation Biogas oder Bioethanol herzustellen, die damit völlig CO2-neutral wären.

science.ORF.at/APA

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