Luna soll den Mond auf die Erde holen

Mehrere Länder planen aktuell eine Raumstation auf dem Mond. Wichtige Vorarbeiten dazu gibt es auf der Erde: In Köln etwa soll 2020 der „Mondübungsplatz“ Luna eröffnet werden – mit authentischen Bedingungen wie auf dem Erdtrabanten.

Die irdische „Mondoberfläche“ ist bis jetzt noch nicht mehr als eine unbebaute Wiese auf dem Gelände des europäischen Astronautenzentrums in Köln. Aber das soll sich ändern. „Wir entwickeln hier gerade das neue Projekt“, erzählt Matthias Maurer, Astronaut in Diensten der europäischen Weltraumagentur ESA. „Dabei handelt es sich um eine Anlage, in der wir hier auf der Erde Mond üben wollen.“

Dazu muss der Mond erstmal auf der Erde neu erschaffen werden - und das in der Halle namens Luna, die auf der Kölner Wiese entstehen soll. Sie wird ungefähr so groß werden wie ein Viertel eines Fußballfeldes. Und sie wird voller Mondsand sein. „Das ist natürlich kein echter Sand, den wir vom Mond eingeflogen haben“, schränkt Maurer ein, „das wäre ja viel zu teuer.“ Stattdessen handelt es sich um Sand aus der deutschen Eifelregion.

Computergrafik von LUNA in Köln

ESA

Computergrafik des „Mondübungsplatzes“ Luna

Außerirdische Sandkastenspiele

Für die Simulation einer längeren Mondmission ist es entscheidend, dass die Astronauten nicht durch einen gewöhnlichen Sandkasten stapfen. Es muss schon eine Substanz sein, die dem Mondstaub möglichst nahekommt. Sowohl der auf dem Mond als auch der Eifler Sand sind vulkanischen Ursprungs. Und der hat sich in der Vergangenheit als tückisch erwiesen. Er ist sehr feinkörnig, gelangt somit in die kleinsten Ritzen und kann deswegen technische Instrumente lahmlegen.

Ö1-Sendungshinweise:

Die „Dimensionen“ kehren in der vierteiligen Serie „Lunar Loop“ auf den Mond zurück, geben einen Überblick über aktuelle Erkenntnisse und einen Ausblick auf künftige Forschungsvorhaben: 15.7. bis 18.7., 19.05 Uhr.

Die chinesische Raumfahrt hat so vor fünf Jahren einen unbemannten Mondrover verloren. Und schon die amerikanischen “Apollo“-Astronauten hatten mit dem Mondsand in ihren Weltraumanzügen zu kämpfen. „Wir wollen hier viele neue Geräte testen, die wir später auf dem Mond einsetzen wollen“, erklärt der ESA-Astronaut. „Uns ist es lieber, die gehen in dieser Simulationsanlage kaputt als später auf dem Mond.“

Der Sand aus der Eifel

ESA

Der Sand aus der Eifel

Neil Armstrong & Co. haben sich vor 50 Jahren hüpfend über die Mondoberfläche bewegt. Denn die Anziehungskraft auf dem Mond ist nur ein Sechstel so stark wie auf der Erde. Geringere Schwerkraft lässt sich auf der Erde aber nicht simulieren – oder vielleicht doch? Die Probanden in der Luna-Halle werden an Seilen aufgehängt sein. Sie ziehen sie mit fünf Sechstel des Körpergewichts nach oben. „Mit meinen 75 Kilogramm Gewicht würde ich an einem Seil hängen, das mich mit etwa 63 Kilogramm nach oben zieht, so dass ich gerade noch auf dem Boden stehe“, präzisiert Matthias Maurer. „Hätte ich aber eine Waage unter meinen Füßen, würde sie nur noch zwölf Kilogramm anzeigen.“

Marionetten auf dem Mond

Marionettengleich werden sich die Astronauten in der künftigen Luna-Simulationshalle über den Mondstaub bewegen. Das könnte lustig aussehen, ist aber ein wichtiges Training für einen längeren Aufenthalt auf dem Mond. Es könnte womöglich sogar entscheidend sein für das Überleben eines Astronauten auf einem Mondspaziergang.

„Wenn ich einen Berg hinunter oder eine Steigung hinaufgehe und wiege nur noch zwölf Kilo - wie stabil bin ich dann noch, und wann falle ich auf die Nase?“ Denn stürzt ein Astronaut auf dem Mond und stößt mit dem Visier seines Helmes gegen einen harten Stein, kann sein Visier bersten. Da auf dem Mond Vakuum herrscht, würde dann die Innenluft aus seinem Anzug entweichen – und das wäre lebensbedrohlich.

Was beim Training in der Luna-Anlage gelernt werden kann, ist nicht nur Wissen für künftige Mondastronauten, sondern für die gesamte Menschheit. Denn das Fernziel ist eine Besiedelung des nächsten Begleiters der Erde im All. „Wir wollen auf dem Mond nicht nur einen Kurzbesuch machen wie die ‚Apollo‘-Astronauten, sondern wir möchten auf dem Mond idealerweise eine dauerhafte Station aufbauen, ähnlich wie Forschungsstationen in der Antarktis“, sagt Maurer. Diese Wissenschaftler müssen in der Lage sein, vor Ort das zu erzeugen, was sie brauchen. „Wir können nicht alles von der Erde einfliegen.“

Hat auch etwas von der Mondoberfläche: Tests mit Mondmessgeräten auf der Insel Lanzarote

ESA–A. Romeo

Hat auch etwas von der Mondoberfläche: Tests mit Mondmessgeräten auf der Insel Lanzarote

Wie geht es „Apollo 17“-Rover?

Das betrifft beispielsweise Sauerstoff zum Atmen und Wasser zum Trinken. Wie sich diese beiden kostbaren Güter aus dem Mondstaub herausfiltern lassen, soll derzeit das Projekt „In-Situ-Resource Use“ (ISRU) herausfinden. Im Auftrag der ESA untersucht das Berliner Wissenschaftlerteam PTScientists, welche Rohstoffe auf dem Mond sich für eine Besiedelung wie nutzen ließen.

Dazu wollen die PTScientists eine Sonde auf den Mond schießen, und zwar zur Landestelle der amerikanischen “Apollo-17“-Mission. „Dort steht seit über 40 Jahren das Mondfahrzeug herum“, sagt Karsten Becker, einer der PTScientists. „Was ist eigentlich mit diesem Auto in 40 Jahren auf der Mondoberfläche geschehen? Ist das von Mikrometeoriten total zerschossen? Hat die Strahlung die verschiedenen Materialien zersetzt?“

Die PTScientists wollen herausfinden, welche Materialien sich für den Bau einer Mondbasis eignen würden. Was muss von der Erde eingeflogen werden, was ließe sich auf dem Mond gewinnen, was geht gar nicht? „Wenn wir verstehen, wie sich die Materialien nach mehr als 40 Jahren auf dem Mond verändert haben, wissen wir auch, welche Stoffe wir für ein Moon Village verwenden sollten“, ergänzt Robert Böhme, der Geschäftsführer der PTScientists. „Können wir Plastik nehmen? Kann man Nylon verwenden? Existieren die Ledergurte aus dem Mondfahrzeug heute noch?“ Wie in einem Baumarkt müssen Materialien ausgesucht werden, die auf dem Mond widerstandsfähig sind.

Künstlerische Darstellung: Der Rover kehrt an die Landestelle von "Apollo 17" zurück

PTScientists

Künstlerische Darstellung: Der Rover kehrt an die Landestelle von „Apollo 17“ zurück

Anfang kommenden Jahres wollen die PTScientists einen Rover auf den Mond schicken, der solche Fragen untersuchen soll – dass sie Anfang Juli einen Insolvenzantrag in Berlin gestellt haben soll an den Plänen nichts ändern. Parallel dazu würden auf der Erde die Arbeiten an der Luna-Simulationsanlage beginnen, so ESA-Astronaut Matthias Maurer, der Leiter des Projekts: „Anfang 2020 kommen die Bagger, Mitte 2020 wird die Halle stehen und mit Sand gefüllt werden, und Ende 2020 werden wir dann eine erste Mondfläche zur Verfügung haben.“ Die Halle soll dann Universitäten in Europa offenstehen. Auch die US-Raumfahrtbehörde NASA hat bereits Interesse angemeldet. Denn Luna – der neue Mond in Köln – wird einzigartig sein auf der Welt.

Guido Meyer, Ö1-Wissenschaft

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