Der neue Wettlauf zum Mond

50 Jahre nach der ersten Mondlandung hat der Wettlauf um den Mond wieder begonnen. Gleich sieben Länder planen Mondmissionen, der Erdtrabant ist dennoch nur Nebenschauplatz - denn letztlich geht es um die militärische Vorherrschaft im All.

„Dies ist ein kleiner Schritt für einen Menschen, aber ein riesiger Sprung für die Menschheit." Die berühmten Worte des US-Astronauten Neil Armstrong auf dem Mond klingen völkerverbindend. Als wären an diesem 21. Juli 1969 mit den ersten menschlichen Schritten auf dem Trabanten all die kriegerischen Auseinandersetzungen auf seinem Heimatplaneten plötzlich Geschichte.

In der Realität haben die USA damit den mehr als ein Jahrzehnt andauernden Wettlauf ins All gegen ihren Kalten-Kriegs-Gegner Sowjetunion schließlich doch gewonnen. Zuvor gelang es der Sowjetunion, noch 1961 mit Juri Alexejewitsch Gagarin den ersten Menschen in den Weltraum zu befördern. Doch ein Spaziergang auf dem Mond samt hinterlassener US-Flaggen-Markierung hat dies übertrumpft.

Zwei Ikonen der Raumfahrt: Juri Gagarin und der erste Fußabdruck auf dem Mond

AFP/NASA

Zwei Ikonen der Raumfahrt: Juri Gagarin und der erste Fußabdruck auf dem Mond

Sieben Staaten rittern um den Mond

50 Jahre später erfährt der Wettlauf um den Mond eine Renaissance. Und wieder geht es auch um machtpolitische Interessen. Mit dem Unterschied, dass heute nicht mehr nur zwei Staaten zum Mond streben, sondern gleich sieben: China, Indien, Japan, Südkorea, Israel – sowie die zwei altbekannten Rivalen Russland und die USA. Sie alle arbeiten eifrig daran, 47 Jahre nach der bisher letzten bemannten Reise zum Mond zu eben diesem zurückzukehren – beziehungsweise ihn das erste Mal zu erreichen. (Die Europäische Weltraumbehörde ESA agiert da vergleichsweise zurückhaltend, sie unterstützt andere Raumfahrtagenturen bei ihren Mondplänen vor allem mit Technik.) Die Missionen sind in den sieben Ländern unterschiedlich ausgereift. Besonders ambitioniert zeigen sich wiedermal die USA.

Ö1-Sendungshinweise:

Die „Dimensionen“ kehren in der vierteiligen Serie „Lunar Loop“ auf den Mond zurück, geben einen Überblick über aktuelle Erkenntnisse und einen Ausblick auf künftige Forschungsvorhaben: 15.7. bis 18.7., 19.05 Uhr.

„Mit der Richtlinie, die ich heute unterschreibe wird sich das amerikanische Raumfahrprogramm wieder neu auf die menschliche Erkundung und Erforschung fokussieren. Diesmal werden wir aber nicht nur unsere Flagge und unsere Fußabdrücke hinterlassen. Wir werden auch eine Stiftung für eine eventuelle Marsmission gründen – und vielleicht eines Tages auch eine für viele weitere Weltraumreisen darüber hinaus“, schrieb Donald Trump Anfang Dezember 2017. Er ist damals noch kein ganzes Jahr im Amt – und schon gibt der US-Präsident äußerst ehrgeizige Ziele vor. Das habe auch mit seiner Persönlichkeit zu tun, meint Heinz Gärtner. Trump möchte als heroisch-martialischer Machthaber in die Annalen eingehen, so der Politikwissenschafter an der Universität Wien und Experte am Internationalen Institut für den Frieden (IIP).

Trump hat am 19. Februar 2019 ein Dekret unterschrieben, das eigene Weltraumstreitkräfte schaffen soll

APA/AFP/Nicholas Kamm

Trump hat am 19. Februar 2019 ein Dekret unterschrieben, das eigene Weltraumstreitkräfte schaffen soll

Menschen auf dem Mars

Dass Trump explizit auch den Mars erwähnt, hat gute Gründe. John F. Kennedy wird auf ewig der Präsident sein, der die Weichen für die ersten menschlichen Schritte auf dem Mond gelegt hat – auch wenn er sechs Jahre zuvor erschossen wurde. Diese Rolle ist in den Annalen also schon vergeben. Donald Trump will daher als erster Präsident die Ära für bemannte Marsmissionen einläuten – und zwar nicht nur „America first“, sondern vor allem auch „Trump first“, wie Gärtner erklärt. „Wenn da nicht die amerikanische Flagge ganz oben – vielleicht noch unter der von Trump – hängt, dann kommt das gar nicht in Frage. Trump macht nichts, was ihm nicht letztlich einen Platz in den Geschichtsbüchern einbringt. Er wird sein Interesse an dieser Versprechung verlieren, wenn sich herausstellt, dass das technologisch in seiner zweiten Amtsperiode nicht mehr möglich ist. Er will mit Sicherheit nicht etwas vorbereiten, das sich sein Nachfolger auf die Fahnen schreiben kann.“

Menschen auf dem Mars – dass dies mit ziemlicher Sicherheit nicht in den nächsten fünf Jahren realisierbar sein wird, ist wohl auch dem aktuellen US-Präsidenten klar. Nichtsdestoweniger: Mit einer Rückkehr zum Mond wäre die erste Hürde zu einer bemannten Marsmission überwunden. Denn eine Reise zum „Roten Planeten“ wird nach derzeitigem Stand nur mit einer Zwischenlandung auf unserem Trabanten möglich sein. Trumps Losung daher: Allerspätestens 2024 sollen Amerikaner wieder Mondboden betreten – also noch in seiner zweiten Amtszeit, die im selben Jahr endet. Vorausgesetzt er wird wiedergewählt.

Die NASA plant 2024 die erste Frau auf den Trabanten zu schicken – ausgerechnet unter Donald Trumps Präsidentschaft, der wegen seines sexistischen Verhaltens in der Kritik steht.

Audio - Heinz Gärtner über Trumps „befraute“ Rückkehr zum Mond:

Waffensysteme im Weltraum

Aber eigentlich gehe es Trump um etwas ganz anderes, sagt Sicherheitsexperte Gärtner. „Sein Ziel ist eine Weltraumarmee – damit will er sich ein Vermächtnis schaffen. Heute sind die Waffensysteme und Satelliten technisch schon so weit, dass man im Weltraum Waffen stationieren kann – obwohl natürlich laut Weltraumvertrag Massenvernichtungswaffen im All verboten sind. Aber diese technische Möglichkeit hat Trump vor Augen.“

Im Fokus steht diesbezüglich besonders ein Hauptkonkurrent: China – und zwar sowohl auf Erden als auch im Weltraum. Der einstige Erzrivale Russland ist im Vergleich eher in den Hintergrund gerückt. „Die USA wollen Erster sein und chinesische Satelliten abschießen können. Mit dem Abschuss von Satelliten ist es möglich, in bestimmten Ländern ganze Infrastrukturen lahmzulegen, man kann die Elektrizität oder die Kommunikationskanäle ausschalten – betroffene Staaten werden dann also sozusagen blind, weil vieles heute über Satelliten läuft.“

YouTube-Video zur neuen NASA-Mondmission:

Hauptkonkurrent China

China hat sich immer mehr als ernstzunehmender Player auf der global-politischen Machtbühne entpuppt. Die Militärausgaben lagen laut Jahresbericht 2018 des Stockholmer International Peace Research Institute (Sipri) in der Volksrepublik bereits bei 250 Milliarden Dollar – schätzungsweise, denn China veröffentlicht keine Zahlen. Der ostasiatische Staat hat seine militärischen Mittel innerhalb von 25 Jahren fast verzehnfacht. China belegt damit schon den zweiten Platz im weltweiten Militärbudget-Ranking.

Die Rüstungsausgaben der USA sind allerdings mehr als doppelt so hoch. Mit 649 Milliarden Dollar investierten die Vereinigten Staaten im vergangenen Jahr so viel in diesen Sektor, wie kein anderes Land der Welt. „Der Sicherheitsapparat in den USA hat Sorge, dass China in zehn bis fünfzehn Jahren vielleicht militärisch mit den USA gleichziehen könnte. Doch im Moment ist das sicher noch nicht abzusehen.“ Andererseits arbeite China derzeit emsig an der Weiterentwicklung von Waffensystemen, so Heinz Gärtner.

Auch beim Raumfahrtbudget sind die beiden Länder die erbittertsten Gegenspieler. Die Volksrepublik rangiert hier mittlerweile auf Platz zwei – erneut hinter den USA. Wobei China kürzlich ein bisher einzigartiger Coup gelang. Am 3. Jänner 2019 landete die weltweit erste Sonde auf der erdabgewandten Seite des Mondes – made in China. Menschen hat der aufstrebende asiatische Riesenstaat allerdings noch keine auf den Trabanten befördert – weder vorder- noch rückseits. Doch binnen eines Jahrzehnts soll auch das Wirklichkeit werden.

Die chinesische Sonde „Chang’e 4“, die am 3. Jänner 2019 auf der Rückseite des Mondes gelandet ist, aufgenommen vom Roboterfahrzeug "Yutu-2"

APA/AFP/China National Space Administration

Die chinesische Sonde „Chang’e 4“, aufgenommen vom Roboterfahrzeug „Yutu-2“

Schneller, höher, stärker

Doch welche Rolle spielt der Mond im globalen und auf den Weltraum ausgedehnten Wettstreit? Unser Trabant als Waffenstützupunkt eines drohenden Krieges um die Sterne? „Es mag durchaus sein, dass der Mond da eine Rolle spielt. Aber ich nehme nicht an, dass er in den militärischen Überlegungen das Hauptziel sein wird. Die technologischen Möglichkeiten sind heute schon weiter. Mittlerweile gibt es flexiblere Satelliten, von denen aus man auch Raketen abschießen könnte“, meint der Experte vom Internationalen Institut für den Frieden.

Warum aber streben dann gerade jetzt so viele ausgerechnet wieder zum Mond? „Es geht auch darum: Wer kann weiter in den Weltraum vordringen?“ Der Mond eignet sich hier nicht nur quasi als Sprungbrett zu weit entfernten Planeten, sondern auch als Stoff, aus dem Heldengeschichten gemacht sind. Ob nun Donald Trump, Chinas Präsident Xi Jinping oder Russlands Mann an den Machthebeln, Wladimir Putin – alle drei agieren stets äußerst machtbewusst und wollen in die Geschichte eingehen. „Der Mond ist hier ein Element, um sich ein Vermächtnis zu schaffen“, sagt Heinz Gärtner, fügt aber sogleich hinzu: „Wenn es sich militärisch mit den Chinesen abspielt, dann geht es Trump um die Errichtung einer Weltraumarmee – und der Mond dürfte da nur ein Vorwand sein.“

Der Wettlauf um den Mond eignet sich auch als gutes Argument, um vom US-Kongress genügend finanzielle Mittel für die Raumfahrt zu bekommen – ganz ohne umstrittene Kriegsrhetorik und Debatte um die Stationierung eigentlich verbotener Waffensysteme im All. Kennedy hat in den 1960ern übrigens die genau umgekehrte Argumentationslogik verfolgt. Er begründete die horrenden Investitionen in die bemannte Mondmission mit der Vormachtstellung der USA gegenüber der Sowjetunion im Kalten Krieg. Auf diese Art holte er damals auch die konservativen Südstaatler mit an „Apollo“-Bord.

Daphne Hruby, Ö1-Wissenschaft

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