Gehirnströme als Alkotest

„Einmal hineinblasen, bitte.“ Das könnte bei einer Verkehrskontrolle eines Tages der Vergangenheit angehören. Ein Forscherteam arbeitet nämlich an einem Alkotest via Elektroenzephalogramm (EEG). Die neue Methode könnte die Hirnforschung revolutionieren.

Norwegen hat so wie Tschechien, Slowakei und Ungarn eine Nulltoleranz, wenn es um Alkohol am Steuer geht. Doch auch wenn der Alkomat nach einer durchzechten Nacht wieder null Promille anzeigt, ist der Mensch tatsächlich wieder voll nüchtern? Die Ingenieurin Marta Molinas bezweifelt das. „Alkohol verlässt das Blut über den Urin schneller. Das Gehirn ist hingegen wie ein Schwamm, in dem Alkohol länger im Gewebe verhaftet bleibt.“ Dadurch könnte Alkohol die Reaktionsfähigkeit länger beeinträchtigen, als es ein einfacher Alkotest anzeigt, lautet die Hypothese von Molinas und ihrem Team an der Norwegian University of Science and Technology.

Technologiegespräche Alpbach

Von 22. bis 24. August finden im Rahmen des Europäischen Forums Alpbach die Technologiegespräche statt, organisiert vom Austrian Institute of Technology (AIT) und der Ö1-Wissenschaftsredaktion. Das Thema heuer lautet „Freiheit und Sicherheit“. Davor erscheinen in science.ORF.at Interviews mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die bei den Technologiegesprächen vortragen oder moderieren.

Zur Person

Marta Molinas hat 11 Jahre zur Stabilität von Stromnetzen geforscht, seit 2014 setzt sie sich an der Norwegischen Universität für Wissenschaft und Technologie mit dem „menschlichen Stromnetz“ auseinander: dem Gehirn. Sie wird am 23. August im Arbeitskreis „Freies Spiel der Innovationen oder sicherer Systemumbau?“ in Alpbach sprechen.

Ein erstes Experiment zeigte, wie sich die Hirnströme verändern, nachdem ein Mensch eine Flasche Bier getrunken hat. „Wir sehen deutlich, dass das Gehirn auf den Alkohol reagiert und sich die Hirnströme bis zu 60 Minuten danach verändern.“ So verringert sich der Ausschlag der Alpha- wie auch der Betawellen relativ schnell, die für das konzentrierte Autofahren entscheidend sind, Delta- und Theta-Wellen schlagen wiederum höher aus. Diese werden normalerweise aktiv, wenn wir uns entspannen und schlafen. „Das passt zu unserer Wahrnehmung, dass Alkohol weniger aufmerksam und entspannter macht“, kommentiert Molinas.

In weiteren Versuchen will die Forscherin analysieren, wann das Gehirn wieder seinen ursprünglichen, nüchternen Zustand erreicht und damit vergleichen, wann ein Alkomat „Null“ anzeigt. Bestätigt sich Molinas Hypothese, könnte künftig der EEG-Alkotest den klassischen Pustetest ersetzen - so zumindest die Vision. So wie EEGs jetzt aussehen, ist das allerdings unvorstellbar. Elektroenzephalogramme sind nämlich alles andere als bequem und praktikabel. Auf einem Quasi-Haarnetz sind zahlreiche Elektroden montiert, die Mithilfe eines Gels auf der Haut die Strömungen im Gehirn messen. Nach einem Alko-EEG müsste man sich also jedes Mal die Haare waschen. „Wir wollen das wesentlich einfacher machen“, so Molinas. Das bedeutet: Kein „Haarnetz“, kein Gel, kein Kontakt, keine Kabel. Vielmehr entspricht Molinas Vision eines künftigen EEGs einem beweglichen Headset, bei dem sich der Bügel wenige Zentimeter über den Kopf bewegt und dabei die Hirnströmungen aufspürt.

Anders als aktuelle EEGs, die über ein gutes Dutzend Elektroden am Kopf alle Hirnsignale messen, soll das kontaktlose EGG nur jene Signale analysieren, die beispielsweise den Alkoholgehalt im Gehirn anzeigen. „Grundsätzlich kann man ein Signal überall messen, da die Gehirengionen stark miteinander verbunden sind. Allerdings ist das Signal in manchen Bereichen stärker und in manchen schwächer. Wir wollen jene finden, wo das Signal am stärksten ist, so bekommen wir eine bessere Antwort.“ Das soll aber nicht nur für Alkotests gelten. Vielmehr arbeitet Molainas an einer Reihe von EEG-Experimenten: einen EEG-Lügendetektor, einen EEG-Drohnenjoystick oder ein effizienteres EEG zum Erkennen von Epilepsie.

Noch steht die Forschung in all diesen Bereichen am Anfang. Aber Ziel das Ziel ist schon klar: Das neue EEG soll so programmiert werden, dass es genau weiß, nach welchen Signalen es suchen muss.

Ruth Hutsteiner, science.orf.at

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