Darmbakterien, die schlank halten

Ob jemand dick oder dünn ist, hängt maßgeblich davon ab, welche Kleinstlebewesen in seinem Darm leben. Wie Forscher nun berichten, sorgt auch das Immunsystem dafür, dass die schlankmachenden Bakterien dort die Oberhand behalten.

Laut der Weltgesundheitsorganisation WHO sind 1,9 Milliarden Erwachsene übergewichtig, davon 650 Millionen sogar fettleibig (WHO-Factsheet Obesity and Overweight, 2016). Und es werden immer mehr, bis 2045 könnte bereits ein Viertel aller Menschen fettleibig sein.

Um die globale Epidemie zu bremsen und die gesundheitlich Folgen zu bekämpfen, sind Gegenmaßnahmen dringend gefragt. So einfach ist das allerdings nicht, denn Übergewicht ist ein komplexes Geschehen und nicht restlos verstanden: So geht es vermutlich nicht nur darum, weniger zu essen oder sich mehr zu bewegen. Entscheidend dürfte auch sein, welche Nahrung man zu sich nimmt. Dazu kommen Umwelteinflüsse und Veranlagung. Nicht jeder Stoffwechsel funktioniert gleich.

Darmbakterien in der Petrischale

Charlie Ehlert, University of Utah Health

Darmbakterien in der Petrischale

Wie gut er funktioniert bzw. ob man vom vielen Essen dick wird oder nicht, hängt maßgeblich davon ab, welche Kleinstlebewesen in unseren Eingeweiden leben - das legen zahlreiche Studien nahe. Im Darm von übergewichtigen Mäusen und Menschen leben ganz andere Bakteriengemeinschaften als bei Dünnen. Man kann Mäuse sogar dicker bzw. dünner machen, wenn man ihnen das entsprechende Mikrobiom in den Darm pflanzt.

Ursachen im Immunsystem

Dass auch Darmbakterien entscheiden, wie anfällig man für Übergewicht ist, scheint also so gut wie fix. Aber welche Mikroben machen eigentlich dick bzw. halten schlank und wieso sind Bakteriengemeinschaften im Darm eigentlich so unterschiedlich? Die aktuelle Arbeit der Forscherinnen und Forscher um Charisse Petersen von der University of Utah School of Medicine liefert nun neue Erklärungen. Bekanntermaßen verändert sich das Mikrobiom durch äußere Einflüsse. „Gute“ Bakterien werden etwa durch Antibiotika, übertriebene Hygiene und ballaststoffarme Kost zurückgedrängt. Petersen und ihren Kollegen haben nun mehr oder weniger zufällig einen weiteren internen Faktor entdeckt.

Sie hatten Mäuse im Labor untersucht, deren Immunreaktion durch gentechnische Veränderung beeinträchtigt war. Ihre Immunzellen produzierten dadurch weniger Antikörper. Und die Versuchstiere waren richtig „fett“ geworden, so Petersen, obwohl sie nicht mehr oder ungesünder gegessen haben als andere Tiere. Ihre Erklärung: Offenbar hat die Störung des Immunsystems die Darmbesiedelung nachhaltig verändert.

Grafik: Ja nach Bakterienbesiedelung ist die Maus schlank oder übergewichtig

Luat Nguyen, University of Utah Health

Je nach Bakterienbesiedelung ist die Maus schlank oder übergewichtig

Normalerweise docken die Antikörper an den Darmbakterien an. Fehlen sie, kann das Immunsystem die Bakterien nicht mehr gut erkennen bzw. unterscheiden, die Balance zwischen den Mikroben geht verloren. Das wiederum kann Folgen haben, für die Gesundheit und den Stoffwechsel. Die gentechnisch veränderten Mäuse wurden noch schneller übergewichtig, wenn man sie mit einer besonders fett- und zuckerhaltigen Kost fütterte. Ähnlich wie übergewichtige Menschen entwickelten sie Anzeichen von Diabetes und einer Fettleber.

Fettstoffwechsel entscheidend

Tatsächlich ließen sich die Veränderungen auch im Mikrobiom des Darms nachweisen. Bei den gentechnisch veränderten Mäusen fanden sich im Unterschied zu gesunden Tieren nur sehr wenige gutartige Stämme aus der Klasse der Clostridia, dafür besonders viele Desulfurizierer.

Laut den Forschern verhindern die Clostridien, dass der Darm zu viel Fett aufnimmt. Das bestätigten auch die Blutfettwerte der Versuchstiere. Dass sich der Fettstoffwechsel je nach Bakteriengemeinschaft ändert, könnte einen ursprünglich durchaus nützlichen Hintergrund haben, wie Yuhao Wang und Lora Hooper von der University of Texas in einem Begleitkommentar zur Studie spekulieren: Wenn ein Organismus mit krankmachenden Keimen kämpfen muss, erhöht sich sein Energiebedarf. Dabei kann es helfen, wenn der Darm mehr Fett aufnimmt.

Gezielte Behandlung

Eine ungünstige Darmbesiedelung ist sogar ansteckend, schreiben die Autoren um Petersen: Gesunde Mäuse, die im selben Käfig lebten, nahmen nämlich ebenfalls zu. Und die schwefelverarbeitenden Bakterien scheinen einer stabilen Besiedlung durch Clostridien entgegenzuwirken, wie weitere Versuche mit Tieren zeigten, der Darm zuvor bakterienfrei gewesen war. Auf der anderen Seite war auch eine gezielte Behandlung mit Clostridien wirksam: Die übergewichtigen Mäuse wurden wieder schlanker.

Laut den Forschern sind die Ergebnisse auch für Menschen relevant. Denn auch bei übergewichtigen und fettleibigen Personen finden sich mitunter weniger Clostridien im Darm und ihre Immunabwehr ist oft geschwächt. In der Kombination mit allzu fetten und süßen Essen begünstige das auch die Entstehung von Stoffwechselerkrankungen wie z.B. Typ 2-Diabetes. Je besser man laut den Forschern versteht, wie die vielen Faktoren zusammenspielen, desto einfacher wird es in Zukunft sein, Übergewicht zu bekämpfen oder am besten gleich vorzubeugen.

Eva Obermüller, science.ORF.at

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