Mehr Betroffene, bessere Behandlung

Immer mehr Menschen in Österreich erkranken an Lungenkrebs. Aktuell liegt die Zahl bei 4.000 Neuerkrankungen pro Jahr, es gibt auch fast ebenso viele Todesfälle. Die gute Nachricht: Die Lungenkrebstherapien werden immer besser.

Bei der Zahl der Lungenkrebs-Neuerkrankungen liegt Österreich im europäischen Spitzenfeld. Ärzte rechnen damit, dass auch in den nächsten Jahren immer mehr Menschen die Diagnose Lungenkrebs erhalten werden. Betroffen sind vor allem Frauen. Der Lungenspezialist Maximilian Hochmair vom Krankenhaus Nord in Wien erklärt, warum: „Vor zwanzig Jahren habe ich primär Männer behandelt, jetzt ist es Halbe-Halbe. Das liegt daran, dass die Frauen mit dem Rauchen aufgeholt haben. Früher haben vor allem Männer geraucht, jetzt rauchen Männer und Frauen gleichermaßen.“

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Über das Thema berichteten auch die Ö1-Journale, 1.8., 8:00 Uhr.

Rauchen ist in 85 bis 90 Prozent der Fälle der Grund für Lungenkrebs. In den anderen Fällen haben Menschen genetische Veränderungen in den Zellen, die Lungenkrebs begünstigen. Vor rund zehn Jahren noch war eine Chemotherapie die einzige Möglichkeit, Krebs zu behandeln. In der Zwischenzeit habe man erkannt, dass Krebs nicht gleich Krebs ist und individueller behandelt werden muss, erklärt der Mediziner. Das schlägt sich auch in den Zahlen nieder: Bei einer Chemotherapie sprechen lediglich 20 bis 30 Prozent der Betroffenen darauf an. Auf moderne, individuelle Therapien reagieren bei manchen Methoden nun 90 oder sogar 99 Prozent der Patienten und Patientinnen, erläutert Hochmair.

Eine Frau raucht

APA, Helmuth Fohringer

Immuntherapie und zielgerichtete Behandlungen

Zu den neuen Therapien gehört die Immuntherapie. Sie wird allen voran bei erkrankten Rauchern und Raucherinnen eingesetzt. Vereinfacht gesagt wird dabei das eigene Immunsystem aktiviert, damit es Tumorzellen erkennt und attackiert. Im Idealfall verschwindet der Tumor dadurch ganz oder wird zumindest kleiner, erklärt Hochmair. „Es gibt Patienten, die profitieren leider wenig von der Immuntherapie. Bei ihnen versuchen wir, mit der Chemotherapie zu kombinieren, um bessere Ergebnisse zu erzielen. Wir schaffen das zwar nicht bei allen. Die Gruppe, wo wir tolle Erfolge leisten können, nimmt aber deutlich zu. Also die Hoffnung in der Behandlung lebt.“

Auf der anderen Seite steht vor allem Menschen mit genetisch bedingtem Lungenkrebs eine sogenannte zielgerichtete Therapie mit Tabletten zur Verfügung. Infrage kommen Betroffene, die bestimmte Rezeptoren haben, die das Wachstum des Tumors antreiben. Zu diesen zählen etwa die Rezeptoren EGFR, ROS 1, BRAF, MET, RET und EML4-ALK. „Blockiere ich den Wachstumsrezeptor im Äußeren der Zelle oder im Inneren, kann ich das Wachstum gezielt hemmen.“ In manchen Fällen lernen hier die Tumorzellen quasi dazu und entwickeln Resistenzen. Wenn möglich, wird mit einer anderen zielgerichteten Therapie oder einer Chemotherapie fortgefahren, erläutert Hochmair.

Grafik zu Lungenkrebs in Österreich

Grafik: APA, Quelle: Statistik Austria

Der Vorteil neuer Behandlungen

Die neuen Therapieformen verschaffen den Betroffen vor allem mehr Zeit. „Früher hat man mit einem Lungenkarzinom im Schnitt zwölf Monate gelebt. Jetzt kann ich Ihnen Gruppen nennen, wo man die zwei-, drei- und vierfache Lebenszeit hat.“ Zudem sind die möglichen Nebenwirkungen mit Durchfall, Hautausschlägen oder Sehstörungen vergleichsweise gering und ermöglichen ein fast normales Leben. „Wir haben in Österreich den Vorteil, dass wir einen guten Zugang zu neuen, bewilligten Medikamenten haben. Wir können dadurch Behandlungserfolge, die auf Kongressen vorgestellt werden, rasch umsetzen und neue Substanzen in Studien verwenden. Das stellt eine enorme Hoffnung für die Patienten dar.“

Ziel sei es letztlich, so Hochmair, Lungenkrebs eines Tages so zu therapieren, dass es zu einer chronischen Erkrankung wird. Bei gewissen Patienten und Patientinnen funktioniere das bereits. „Seit 2015 wird bei uns die Immuntherapie angewandt. Manche Patienten, denen wir früher wenig Chancen zugerechnet haben, behandle ich seither.“ Warum bestimmte Therapien nicht bei allen gleich gut wirken, müsse in weiteren Studien untersucht werden. Wie bei allen Krebsformen gilt aber auch hier: Je früher man den Tumor entdeckt, desto höher sind die Chancen zu überleben.

Nichtraucherschutz entscheidend

Hauptziel bleibe es allerdings, dass weniger Menschen zu rauchen beginnen und dadurch weniger erkranken. Allerdings: „Österreich ist letztplatziert im Nichtraucherschutz im europäischen Vergleich. Da gibt es Dinge, die wir aufholen müssen. Wie zum Beispiel ein Rauchverbot auf Spielplätzen, vor Kindergärten oder Schulen“, fordert der Lungenspezialist und verweist auf vergleichbare Regelungen in anderen Ländern wie den USA, Irland oder Australien. „Wir sehen einfach, dass in Ländern mit starkem Nichtraucherschutz, die Zahlen der Lungenkrebspatienten stark zurück gehen.“

Ruth Hutsteiner, Ö1-Wissenschaft

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