Experten fordern „grünere“ EU-Agrarreform

Die Europäische Union bekennt sich zwar zu Nachhaltigkeit, die Reformpläne der Agrarpolitik werden den Umweltschutz aber nicht verbessern: Das meint ein internationales Forscherteam, das nun eine „grünere“ Reform fordert.

Der Kommissions-Entwurf zur Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) bis 2020 mache mehr wirtschaftliche und soziale Nachhaltigkeit „unwahrscheinlich“. Er könnte gar zu einer Ausweitung problematischer Agrarsubventionen führen, warnen die Forscher und Forscherinnen in der Fachzeitschrift „Science“.

“Rückschritt zur geltenden Regelung“

In der Europäischen Union werden 40 Prozent der Fläche landwirtschaftlich genutzt. Obwohl die EU sich in verschiedenen internationalen Abkommen zu einer nachhaltigen Landwirtschaft zum Schutz von Artenvielfalt und Klima verpflichtet hat, spiegelt sich das laut den Forschern in den Reformvorschlägen der Kommission für die künftige Gemeinsame Agrarpolitik nicht wider.

„Die vorgeschlagene ‚grünere‘ Architektur scheint schwächer als die aktuelle GAP“, so die internationalen Umwelt- und Sozialwissenschaftler, darunter Stefan Schindler von der Uni Wien und Christian Schleyer von der Uni Innsbruck. Für ihren Beitrag haben sie anhand von 450 Publikationen erst analysiert, ob die aktuelle Gemeinsame Agrarpolitik mit den UNO-Nachhaltigkeitszielen vereinbar ist und danach geprüft, ob die geplante Reform eine Verbesserung des Status Quo bringen würde.

Ihr Resümee: Der Kommissionsentwurf beinhaltet noch immer Instrumente, die sich nachweislich als ineffizient, klima- und umweltschädlich sowie sozial ungerecht herausgestellt hätten und würde damit einen klaren Rückschritt zur geltenden Regelung bringen. Die vorgeschlagene „Grüne Architektur“ bringe keinen effektiven Klimaschutz.

Intensive Landwirtschaft macht Landschaften monoton

Sebastian Lakner

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Es kommt weiter auf die Anbaufläche an

Die Forscher kritisieren vor allem, dass der mit derzeit 70 Prozent weitaus größte Budgetbrocken auch in Zukunft für Direktzahlungen an Agrarbetriebe vorgesehen ist, die vor allem von der Anbaufläche abhängen und laut Analyse keinerlei Beitrag zu Nachhaltigkeit leisten.

Die für eine „grünere“ EU-Agrarpolitik wichtigen Mittel für ländliche Entwicklung (etwa umweltfreundliche Maßnahmen wie Bio-Landwirtschaft) sollen laut dem geplanten Finanzrahmen für 2021 bis 2027 sogar vom ohnehin niedrigen Niveau weiter gekürzt werden und es sollen nachträgliche Verschiebungen der Mittel in Richtung Direktzahlungen erlaubt sein. Damit würden wissenschaftliche Evidenz, die öffentliche Meinung und Stellungnahmen zum ursprünglichen GAP-Entwurf ignoriert, warnen die Forscher.

Überhaupt sei die gesamte Struktur der GAP schlecht geeignet, um die Landwirtschaft umweltfreundlicher zu gestalten und negative Folgen für die Umwelt abzufedern. Zwar seien in der Vergangenheit Zielvorgaben wie Umweltverträglichkeit und soziale Nachhaltigkeit dazugekommen. Insgesamt bleibe die Gesamtstrategie punkto Nachhaltigkeit aber „inkohärent und unausgeglichen“. Bestehende Steuerungsversuche und Sanktionsmöglichkeiten seien laut den Wissenschaftlern ineffizient, in der neuen GAP geplante Maßnahmen ineffektiv.

Ökologische Landwirtschaft erhöht die Biodiversität

Sebastian Lakner

„Grünere“ Landwirtschaft erhöht die Biodiversität

Für Auslaufen der Direktzahlungen

Ihre Empfehlung: Direktzahlungen müssen sukzessive auslaufen und durch ein System ersetzt werden, das alle Zielsetzungen der GAP ins Gleichgewicht bringt und vor allem jene Bauern unterstützt, die nachhaltig und umweltfreundlich wirtschaften. Auf die To-do-Liste der EU gehören demnach auch Indikatoren, um den Erfolg der Maßnahmen zu messen, und verpflichtende Richtlinien für die Umsetzung durch die EU-Mitgliedsstaaten.

Für eine nachhaltige Reform müsste außerdem der gesamte Prozess verbessert werden, indem die Einflussmöglichkeiten von Lobbyverbänden verringert und neben den Landwirtschaftskomitees, -ministerien und -agenturen auch Experten und Expertinnen aus Wissenschaft und Gesellschaft eingebunden werden.

Die Verhandlungen zur EU-Agrarreform sollen im Herbst beginnen.

science.ORF.at/APA

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