Minihirne werden immer menschenähnlicher

Sie sind zwar bloß erbsengroß, doch in ihrem Inneren pulsieren elektrische Erregungen: An künstlich hergestellten Miniatur-Gehirnen haben Forscher jetzt Hirnströme gemessen - und ziehen Parallelen zu frühgeborenen Kindern.

Die Wissenschaftler um Alysson Muotri von der University of California in San Diego sehen solche Organoide als Modelle an, mit denen beispielsweise krankhafte Fehlentwicklungen des Gehirns oder die Wirkung von Medikamenten untersucht werden können.

EEG-Test in der Laborschale

„Das Niveau der neuronalen Aktivität, das wir sehen, ist im Labor beispiellos“, wird Muotri in einer Mitteilung zitiert. Er und seine Kollegen hatten ein lernfähiges Programm mit EEG-Daten frühgeborener Babys gefüttert und so eine Test entwickelt, der Hirnströmen ein Alter zuordnet. Als die Wissenschaftler diese Methode auf die Minigehirne aus der Petrischale anwandten, lautete das Ergebnis: Die Muster entsprechen jenen, wie sie auch bei 40 Wochen alten Babys auftreten.

Nervengeflechte: kleine weiße Kugeln in der Petrischale

Muotri Lab/UCTV

Organoide: zehn Monate alte Mini-Gehirne

Damit sei man einem Modell, das die frühen Stadien eines hoch entwickelten Nervenzell-Netzwerks erzeugen kann, einen Schritt nähergekommen, schreiben die Forscher im Fachblatt „Cell Stem Cell“.

Fachkollegen noch skeptisch

Den Vergleich mit menschlichen Hirnaktivitäten halten unabhängige Experten allerdings für überzogen. „Mit einer solchen Aussage sollte man sehr vorsichtig sein“, sagt etwa der deutsche Stammzellforscher Oliver Brüstle vom Universitätsklinikum Bonn. Ähnlich äußert sich Jürgen Knoblich vom Institut für Molekulare Biotechnologie in Wien, für gute Forschungsmodelle hält er die Hirn-Organoide dennoch.

Muotri und Kollegen sind sich bewusst, dass ihre Forschung auch gesellschaftliche und ethische Fragen aufwirft. Sie betonen, dass die Organoide sich in vielerlei Hinsicht vom menschlichen Gehirn unterschieden. „Das Organoid ist immer noch ein sehr rudimentäres Modell - wir haben keine anderen Gehirnteile und Strukturen“, sagt Muotri. So fehlten etwa Blutgefäße, auch die Unterteilung in zwei Hirnhälften gebe es nicht. Er hebt vor allem die Chancen hervor: „Ich kann Menschen mit neurologischen Erkrankungen helfen, indem ich ihnen bessere Behandlungen und eine bessere Lebensqualität gebe.“ Muotri ist auch an einem Unternehmen beteiligt, das unter anderem mit Hilfe von Hirn-Organoiden die Therapie bestimmter neurologischer Erkrankungen vorantreiben möchte.

science.ORF.at/dpa

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