Forscher proben den Ernstfall

Wann der nächste Asteroid direkt auf die Erde zusteuert, lässt sich nicht vorhersagen. Sicher ist nur: Es wird passieren. Bei einer Konferenz in Rom diskutierten Experten diese Woche eine Gegenstrategie: Eine Sonde soll den Brocken aus dem All ablenken.

„Wie kann ich einen Asteroiden aus seiner Bahn ablenken?“, fragt sich Detlef Koschny aus der Abteilung für Sonnensystemmissionen der Europäischen Weltraumagentur (ESA). So eine Weltraummission entwickeln derzeit die Europäer gemeinsam mit den Amerikanern: AIDA steht für „Asteroid Impact and Deflection Assessment“ - ein Projekt also, mit dem eine Sonde auf einem Asteroiden einschlagen und ihn dadurch umleiten soll.

Doppel-Asteroid Didymos mit Satelliten

ESA - ScienceOffice.org

Probelauf: Der Doppel-Asteroid Didymos soll zeigen, ob der Plan funktioniert

„Wenn sich zwei Asteroiden umkreisen, und ich schieße einen Satelliten auf den kleineren der beiden, dann verändere ich die Umlaufszeit der zwei Asteroiden“, erklärt Koschny. Das heißt: Durch den Aufprall einer Sonde soll einer von zwei sich umkreisenden Asteroiden von seinem Kurs abgelenkt werden. Im Ernstfall hieße das: Der Asteroid würde von seiner Bahn minimal, aber stark genug abweichen, so dass er an der Erde vorbeifliegt.

Konferenz in Rom:

Ö1 Sendungshinweis:

Diesem Thema widmet sich auch ein Beitrag in Wissen aktuell, 11.9.19 um 13.55 Uhr.

AIDA auf Kollisionskurs

Und hier kommt AIDA ins Spiel. Diese Mission wird aus zwei Raumsonden bestehen: eine aus Amerika, eine aus Europa. Sie lassen sich nach dem Prinzip „Ursache und Wirkung“ einteilen. Zunächst die Ursache - dafür sind die USA zuständig. Sie wollen übernächstes Jahr eine Sonde zum Doppel-Asteroiden Didymos schicken.

Dieses System besteht aus einem großen und aus einem kleinen Gesteinsbrocken. Der kleinere ist das Ziel der amerikanischen Sonde, die als Geschoss fungieren wird. „Es ist einfach nur eine Sonde, deren einzige Aufgabe es ist, auf dem kleineren der beiden Asteroiden einzuschlagen“, sagt Eugene Fahnestock vom kalifornischen Jet Propulsion Laboratory. Die Sonde nähert sich dem Asteroiden mit sechs Kilometern pro Sekunde. Der Asteroid misst aber nur 163 Meter im Durchmesser. „Das ist eine ganz schöne Herausforderung“, betont der US-Luft- und Raumfahrtingenieur, „wir sind froh, wenn wir ihn treffen!“

Versteht sich, dass kein Astronaut an Bord diese Sonde ins Ziel lenken wird. Sie wird auch nicht von der Erde aus ferngesteuert, sondern sie muss ihr winziges Ziel selbständig finden. „Ein paar Stunden vor dem Auftreffen übergeben wir die Bodenkontrolle völlig an die Einschlagsonde“, so Fahnestock. Dann müsse sie alles Weitere alleine schaffen. „Wahrscheinlich werden wir bis wenige Sekunden vor dem Aufprall Bilder empfangen.“

Und dann? Dann wird „Didymoon“ – so der inoffzielle Namen des kleineren Asteroiden – über einen neuen Krater verfügen. Und er wird das größere Objekt auf einer leicht veränderten Bahn umkreisen. Der kleinere Mond umrundet den größeren Asteroiden mit etwa 50 Zentimetern pro Sekunde. Ließe sich diese Geschwindigkeit um ein paar Millimeter pro Sekunde verändern, würde sich das summieren. „Das Objekt wäre schon bald an einem Ort auf seiner Umlaufbahn, an dem es nicht wäre, hätten wir es nicht angestoßen“ , hofft Andrew Rivkin vom Applied Physics Laboratory der Johns Hopkins University im US-Bundesstaat Maryland.

Beobachtungen von nah und fern

Nach dem Einschlag der Sonde auf „Didymoon“ ist niemand mehr vor Ort, um zu bestätigen, dass der Aufprall die gewünschte Wirkung gezeigt hat. Diese Erkenntnis sollen stattdessen Teleskope von der Erde aus liefern. Das ist jedoch nicht ganz so einfach. Denn obwohl es sich um einen Doppelasteroiden handelt, erscheinen seine beiden Bestandteile auf der Erde nur als ein einziger Lichtpunkt.

ESA-Satellit Hera umkreist einen Asteroiden

ESA–ScienceOffice.org

Der ESA-Satellit Hera überprüft den Ausgang des Experiments

Die Helligkeit des gesamten Systems fällt jedoch immer dann eine Winzigkeit ab, wenn der kleine Mond vor dem Hauptasteroiden vorbeizieht und ihn leicht verdunkelt - oder wenn er selbst hinter ihm verschwindet. Aus diesen Helligkeitsschwankungen können Astronomen die Umlaufbahn des kleineren Objekts berechnen – und damit nachweisen, ob sich seine Bahn gegenüber vor dem Einschlag verändert hat.

Nach der Ursache geht es dann um die Wirkung – und endlich schlägt die Stunde der Europäer: Zwei Jahre nach dem Aufschlag will die ESA ihre Sonde Hera starten und vor Ort nachschauen, wie sich das Doppelasteroidensystem verändert hat. Mitte des kommenden Jahrzehnts soll Europas Sonde überprüfen, wie groß der Einschlagkrater ist und wie viel Masse durch den Aufprall aus dem Asteroiden herausgeschlagen wurde.

Guido Meyer, Ö1-Wissenschaft

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