Hochstapler-Syndrom weit verbreitet

Das Hochstapler-Syndrom ist laut einer neuen Studie weiter verbreitet als angenommen: Menschen, die darunter leiden, bezweifeln ihre eigenen Erfolge und fühlen sich als Hochstapler.

1978 beschrieben zwei US-Psychologinnen das „Impostor Phenomenon“ erstmals in einer Studie. Sie hatten beobachtet, dass besonders erfolgreiche Frauen auf ihre Leistungen nicht stolz sind, sondern sie als Resultat glücklicher Umstände betrachten. Wie Hochstaplerinnen zweifeln sie an ihren Fähigkeiten und haben Angst, von anderen „enttarnt“ zu werden.

Mittlerweile geht die Psychologie davon aus, dass der Persönlichkeitszug unter Frauen und Männer in etwa gleich verbreitet ist. Rund 20 Prozent der untersuchten College-Studenten und -studentinnen haben ihn, schreibt ein Team um den Wirtschaftswissenschaftler Jeff Bednar von der Brigham Young University im US-Bundesstaat Utah in einer soeben veröffentlichten Studie.

Ein Student sitzt unter anderen

BYU Photo

Sie haben dafür rund 200 Studierende eines fortgeschrittenen Unistudiums befragt, und zwar zum Phänomen an sich, aber auch zu möglichen Gegenstrategien. Am schlechtesten erwiesen sich dabei die Methoden „Unterdrücken“ und „Ablenken“. Vermeintliche Hochstapler etwa, die als Gegenmittel auf Computerspiele setzten, verbrachten schnell mehr Zeit mit dem Joystick als mit dem Studium.

Besser sei es, sich dem Problem zu stellen und darüber zu reden, sagen die Forscher. Und dabei kommt es darauf an, mit wem. Denn wer Hilfe unter Studienkollegen und -kolleginnen suchte, dem ging es nachher oft schlechter als zuvor. Wer hingegen bei Familie oder anderen Freunden anklopfte, konnte das Hochstapler-Syndrom bekämpfen. „Studierende, die Unterstützung außerhalb der eigenen sozialen Gruppe suchen, sehen eher das große Gesamtbild“, erklärt Jeff Bednar in einer Aussendung. In der eigenen Bezugsgruppe zu bleiben, verenge hingegen den Blick – auf den vermeintlichen Eigenmangel.

Was hilft: Offene Fehlerkultur

Überraschenderweise, so schreiben die Forscher, wirke sich das Gefühl der Hochstapelei nicht auf die eigene Leistung aus. Personen mit dem Syndrom können ihre Arbeit weiter gut machen, sie glauben nur nicht an sich. Die Hauptursachen dafür seien soziale. „Die Wurzel des Hochstapler-Syndroms liegt im Gedanken, dass uns andere nicht so sehen, wie wir wirklich sind“, sagt der Studien-Koautor Bryan Stewart, ebenfalls von der Brigham Young University.

„Wir glauben, dass sie uns für etwas mögen, das nicht wirklich ist, und dass sie uns nicht mehr mögen würden, wenn sie herausfinden, wer wir wirklich sind.“ Wichtig sei es deshalb, offen über eigene Fehler und Misslichkeiten zu sprechen. Menschen mit Hochstapler-Syndrom könnten dann leichter über ihre Gefühle sprechen und Hilfe auch innerhalb der eigenen Bezugsgruppe suchen.

Lukas Wieselberg, science.ORF.at

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