Auf Jachten durch das Mittelmeer

Von Frühling bis in den Spätherbst ziehen private Segelboote und Motorjachten ihre Bahnen durchs Mittelmeer. Mit an Bord sind unerwünschte Passagiere: eingewanderte Muscheln, Krustentiere und andere Kleinlebewesen, die die heimische Artenvielfalt bedrohen.

Von Genua über Marseille nach Barcelona oder von Korfu über die kroatische Küste nach Venedig – die Distanzen sind machbar, die historisch gewachsenen Hafenstädte sehenswert und das Klima ist mild. Die kulturelle Vielfalt der insgesamt 22 Länder lockt zahlreiche private Bootsbesitzer ins Mittelmeer. Auch hinsichtlich seiner Artenvielfalt ist das Gewässer außergewöhnlich. Gemessen an seiner Größe leben nirgendwo so viele verschiedene Arten.

Allerdings ist diese enorme Biodiversität in Gefahr. Erderwärmung, Überfischung, Abwässer, Chemikalien und Dünger haben den Lebensraum Mittelmeer und die heimische Flora und Fauna schon sehr verändert. Und in keinem Meer tummeln sich heute so viele eingewanderte Arten wie hier. Eine bisher dabei wenig beachtete Rolle spielt die private Schifffahrt, wie die Forscherinnen um Aylin Ulman von der italienischen Universität Pavia in ihrer soeben erschienenen Studie schreiben.

Bewuchs (Fouling) auf einem Bootsrumpf

Aylin Ulman

Bewuchs (Fouling) auf einem Bootsrumpf

Während Segelboote und Motorjachten von Hafen zu Hafen schippern, befördern sie auch etliche blinde Passagiere: vor allem wirbellose Tiere, die gut verborgen im marinen Bewuchs der Bootskörper in immer neue Gebiete vordringen. Fouling nennt man im Schiffbau diese unerwünschte Ansammlung von Mikroorganismen, Pflanzen, Algen und Tieren. Dieser Bewuchs lässt sich nur durch professionelle Reinigung entfernen. Daher hat er oft eine ganze Saison Zeit zu wachsen.

Viele Bootsmeilen

Das Team um Ulman hat nun untersucht, wie viel Privatboote auf diese Weise zur Verbreitung von fremden Arten beitragen. Dafür hat es in der Hauptsaison von April bis November in 25 Häfen in sechs Ländern im gesamten Mittelmeerraum Daten gesammelt und zusätzlich die Besitzer befragt. Von mehr als 600 zwischen sechs und 50 Meter langen Booten wurden Proben genommen, nicht nur vom Rumpf, sondern auch von anderen Schiffsteilen, die nicht so leicht zu reinigen sind, wie z.B. Leitern und Schiffsschrauben.

Die Felsenkrabbe //Percnon gibbesi//

Aylin Ulman

Die ursprünglich nicht im Mittelmeer heimische Felsenkrabbe Percnon gibbesi, Fundort Malta

Die Besitzer hatten in der Saison im Schnitt 7,5 Häfen (abgesehen vom Heimathafen) angesteuert. Das Maximum lag bei 60 Häfen. Durchschnittlich 67 Tage verbrachten die Jachten und Boote fern vom Heimathafen. Ein Teil der Boote war von außerhalb in das Mittelmeer gelangt, z.B. über Gibraltar, Flussmündungen oder den Suezkanal. Die beliebtesten Ziele waren Inseln wie Sardinien, Korsika und die Balearen.

Neu im Hafen

In fast drei Viertel aller Samples fanden die Forscherinnen mindestens eine invasive Art. In der Hälfte der Fälle handelte es sich um ein Tier, das in dem besuchten Hafen zuvor noch nicht aufgetaucht war.

Das Team entdeckte nicht-heimische Muscheln, Krusten- und Manteltiere, Ringelwürmer und Moostierchen. Man hätte sogar noch mehr finden können, erklärt Ulman in einer Aussendung. Denn aus Zeitgründen haben sie Algen gar nicht erst erfasst. Im östlichen Mittelmeer war die Vielfalt der gefundenen Bioinvasoren am höchsten – denn dort gelangen über den Suezkanal die meisten fremden Arten in den mediterranen Raum.

Fehlende Regelung

Anders als etwa in Neuseeland gibt es noch keine offizielle Regelung, die versucht, das Problem in den Griff zu bekommen. Zumindest sollten die Boote und Jachten regelmäßig professionell gereinigt werden. Allerdings – wie die Studie auch verdeutlicht – hilft das häufig auch nur sehr kurzfristig. Schon nach wenigen Wochen finden sich mitunter erneut unerwünschte Bewohner. Manche Ecken seien eben sehr schwierig zu reinigen.

Darauf sollte man besonders achten, betonen die Forscherinnen. Sie plädieren daher für eine regelmäßige offizielle Überprüfung, besonders an den Wasserstraßen, auf denen Boote von außerhalb anreisen. Dort könnten gezielte Quarantäne- und Reinigungmaßnahmen von vornherein verhindern, dass die fremden Arten überhaupt ins Mittelmeer gelangen.

Eva Obermüller, science.ORF.at

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