Lernen von Ameisen

Seit 60 Millionen Jahren nutzen Blattschneiderameisen selbstgemachte Antibiotika, um ihr Futter vor schädlichen Parasiten zu schützen. Forscher haben nun herausgefunden, wie das funktioniert. Die Erkenntnis könnte beim Kampf gegen Resistenzen helfen.

Blattschneiderameisen bauen sich ihr Futter selbst an. Sie schneiden kleine Stücke aus Blättern, bringen sie zu ihren Nestern und züchten damit bestimmte Pilze, die sie dann fressen. Auf diese Futterpilze haben es aber auch bestimmte Mikroorganismen abgesehen. „Um diesen feindlichen Pilz fernzuhalten, der ihr Futter fressen will, verwenden die Ameisen eine Art Antibiotikum“, erklärt einer der Autoren Massimiliano Marvasi von der Universität Florenz.

Blattschneideameisen

Steve Kett

Blattschneiderameisen

Bereits seit 60 Millionen Jahren verteidigen die Ameisen ihren Futterpilz, ohne dass sich der Keim an die Abwehr anpassen konnte. Angesichts dessen, dass Keime in Spitälern und in der Landwirtschaft innerhalb weniger Jahrzehnte Resistenzen entwickelt haben und Antibiotika nutzlos machen, stellt sich die Frage: Wie machen die Ameisen das? „Es war bereits bekannt, dass die Ameisen die Antibiotika nicht selbst herstellen, sondern sie von nützlichen Bakterien produzieren lassen, die auf den Ameisen leben und von ihnen ebenfalls profitieren.“

Ständige Weiterentwicklung

Wie der Mikrobiologe und seine Kollegen nun herausfanden, kombinieren diese nützlichen Bakterien unterschiedliche Antibiotika (Candicidin und Antimycine) miteinander und entwickeln sie so immer ein wenig weiter. „Sie nutzen kein einzelnes starkes antibakterielles Molekül, sondern mischen unterschiedliche Moleküle zusammen, von denen nicht immer alle gut wirken.“ Das Ergebnis ist eine Art Überraschungscocktail.

Die Studie

„Resisting antimicrobial resistance: Lessons from fungus farming ants“, Trends in Ecology & Evolution (26.9.2019)

Dahinter steckt ein evolutionärer Prozess, in dem sich die Gene der nützlichen Bakterien ebenfalls weiterentwickeln. Dadurch verändert sich sowohl die Struktur als auch die Zusammensetzung der Antibiotika und das hält das Ameisennest und seine Mikroorganismen in Balance.

Genau dieses Prinzip soll nun beim Kampf gegen Antibiotika-Resistenz helfen. Man will also bekannte Antibiotika kombinieren und verändern, damit diese beispielsweise gegen resistente Krankenhauskeime wirken. Geschätzt sterben in der EU jährlich rund 25.000 Menschen an bakteriellen Infektionen, die sie sich in Krankenhäusern zuziehen. Erste mathematische Modelle deuten bereits darauf hin, dass ein Antibiotikamix die Anzahl resistenter Keime vermindern könnte. Noch stehen die Forscher allerdings am Anfang, das System zwischen Ameisen und nützlichen Bakterien genau zu entschlüsseln. „Vor allem müssen wir noch den Selektionsdruck besser verstehen, der auf die Gene der Bakterien wirkt, die die unterschiedlichen Antibiotika letztlich produzieren.“

Ruth Hutsteiner, Ö1-Wissenschaft

Mehr zu diesem Thema: