Fleischkonsum: Risiko überschätzt?

Die Weltgesundheitsorganisation rät von zu hohem Fleischkonsum ab. Eine aktuelle Analyse von unterschiedlichen Studien zeigt allerdings: Das Gesundheitsrisiko durch rotes und verarbeitetes Fleisch ist geringer als landläufig angenommen.

2015 veröffentlichte die Internationale Agentur für Krebsforschung einen Bericht, wonach das Darmkrebsrisiko pro täglich konsumierten 50 Gramm verarbeitetem Fleisch (z.B. Wurst, Salami und Leberkäse) um 18 Prozent steigt. Das sieht nach viel aus. In absoluten Zahlen ist das eine zusätzliche Erkrankung pro 1.000 Personen im Laufe von 10 Jahren. Für den einzelnen ist das Risiko also sehr gering.

In dieselbe Kerbe schlägt nun eine aktuelle internationale Analyse. In dieser haben Forscher und Forscherinnen unterschiedliche Studien verglichen und sich angesehen, wie hoch das tatsächliche Gesundheitsrisiko für den einzelnen ist. Wer demnach viel verarbeitetes sowie rotes Fleisch isst, hat nur ein wenig erhöhtes Risiko, später an Darmkrebs zu erkranken, Typ-Zwei-Diabetes zu entwickeln oder an Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Bluthochdruck und Herzschwäche zu leiden. „Der Unterschied ist durchaus signifikant, es sind also keine zufälligen Assoziationen, die man in bisherigen Studien gefunden hat. Man kann es aber nicht mit dem Lungenkrebsrisiko bei Rauchern vergleichen“, erklärt der Ernährungsmediziner Cem Ekmekcioglu von der Medizinischen Uni Wien. Er hat sich die Studie für science.ORF.at angesehen.

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Perspektive entscheidend

Wechselt man die Perspektive und sieht sich den Effekt von hohem Fleischverbrauch auf Bevölkerungsebene an, wird der Unterschied schon deutlicher, so Gerald Gartlehner von der Donau Uni Krems. „Wenn alle in Österreich weniger Fleisch essen würden, dann könnte man sicher eine ganz beachtliche Anzahl an Krebsfällen reduzieren.“ Diese Diskrepanz zwischen individuellem Risiko und Risiko aus Sicht der öffentlichen Gesundheit wird auch beim Impfen deutlich, so der Mediziner. „Das ist leider immer das Problem. Die Gefahr des einzelnen, beispielsweise Masern zu bekommen ist relativ gering. Aber über die Population hinweg sind es dann doch viele Fälle. Bei den meisten Public Health Interventionen muss man wirklich in einer großen Population denken. Da man aber den Fleischkonsum nicht gesetzlich beschränken kann, macht der Blick auf den einzelnen mehr Sinn.“

Problematisch ist, dass man das tatsächliche Gesundheitsrisiko beim Fleischkonsum nicht feststellen kann. Aktuelle Ernährungsempfehlungen stützen sich größtenteils auf Beobachtungsstudien. Hier gibt es aber viele Einflussfaktoren, wodurch solche Daten schwer zu interpretieren sind. Ein kausaler Zusammenhang ergibt sich daraus nicht, erklärt Cem Ekmekcioglu. „Besser wären natürlich randomisierte, kontrollierte Interventionsstudien. Nur müsste hier eine Gruppe von Personen über Jahre viel Fleisch konsumieren und eine andere wenig Fleisch und dann schaut man sich an, wie sich das Krankheitsrisiko entwickelt.“ Solche Versuche sind in Anbetracht des wahrscheinlichen Risikos für die Gesundheit nicht möglich.

„Schwache Empfehlung“: Weiter wie bisher

Die Autoren der Metaanalyse sprechen sich mit einer „schwachen Empfehlung“ dafür aus, dass Menschen ihren gewohnten Fleischkonsum beibehalten sollen. Einen Umstand, den Ekmekcioglu kritisiert. „Solche Analysen verunsichern stark. Die Autoren zeigen mit ihrer Formulierung selbst, dass sie unsicher sind.“ Dem Mediziner zufolge sollte deshalb weiterhin an der aktuellen Empfehlung festgehalten werden, nicht mehr als 450 Gramm oder anders ausgedrückt maximal dreimal pro Woche Schnitzel, Salami und Rinderfilet zu essen.

Nicht zuletzt auch deshalb, weil dafür auch noch andere „gute Gründe“ sprechen, ergänzt Gartlehner: „Diese Studie berücksichtigt nicht, dass es auch ethische und ökologische Gründe gibt, weniger Fleisch zu essen.“

Ruth Hutsteiner, Ö1-Wissenschaft

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