Medizinnobelpreis an drei Zellforscher

Der Nobelpreis für Medizin geht in diesem Jahr an die beiden US-Amerikaner William Kaelin Jr. und Gregg Semenza sowie an den Briten Sir Peter Ratcliffe. Die drei haben aufgeklärt, wie Zellen den Sauerstoffgehalt wahrnehmen und sich daran anpassen.

Ihre Arbeiten hätten die Grundlagen gelegt für die Entwicklung neuer Strategien zur Bekämpfung von Blutarmut, Krebs und vielen anderen Erkrankungen, hieß es von der Nobeljury. Der Sauerstoffgehalt in der Umgebung beeinflusst in bestimmten Fällen das Wachstum der Zellen in einem Tumor und dessen Versorgung. Daher gelten die zugrundeliegenden Mechanismen als mögliche Ansatzpunkte für Krebstherapien.

Die Medizinnobelpreisträger 2019: Aufnahme von der Pressekonferenz des Nobelkomitees in Stockholm

APA/AFP/Jonathan NACKSTRAND

Die drei Laureaten

Menschen und Tiere benötigen Sauerstoff, um aufgenommene Nahrung im Inneren der Zellen in lebenserhaltende Energie umzuwandeln. Verändert sich der Sauerstoffgehalt, verändert sich die Aktivität zahlreicher Gene und damit letztlich der Stoffwechsel.

„Ein wunderschönes System“

Gregg Semenza vom Johns Hopkins Institute for Cell Engineering in Baltimore identifizierte in den frühen 1990er Jahren ein Protein, das diese sauerstoffabhängigen Reaktionen reguliert. 1995 konnte der 1956 in New York geborene Biologe das Protein gewinnen und weiter erforschen. Der Name des Faktors: HIF (Hypoxia Inducible Factor).

Der Mediziner William Kaelin von der Harvard Medical School in Boston, geboren 1957 in New York, untersuchte eine Krebserkrankung, die auf einem fehlerhaften Protein beruht. Die Aktivität dieses VHL genannten Proteins ist abhängig vom Sauerstoffgehalt. Der Brite Peter Ratcliffe, 1954 in Lancashire geboren, fand 1999 schließlich heraus, dass es einen Zusammenhang zwischen beiden Proteinen - HIF und VHL - gibt.

Im Jahr 2016 hatten Kaelin, Ratcliffe und Semenza bereits den renommierten Lasker-Award bekommen. Als „ein wunderschönes System“ hatte Gregg Semenza damals den Mechanismus der Sauerstoffwahrnehmung in einem Video bezeichnet. Sauerstoff sei die Substanz, von der man am meisten konsumiere und ohne die man am kürzesten überlebe.

Komplizierte Kontaktaufnahme

Die Kontaktaufnahme mit den Laureaten lief in diesem Jahr nicht ohne Schwierigkeiten ab, wie Thomas Perlmann von der Nobelversammlung des Karolinska-Instituts nach der Pressekonferenz erzählte.

Von William Kaelin habe man zunächst keine Telefonnummer gehabt und daher seine Schwester angerufen, die zwei Nummern herausgab. Bei der ersten erreichte die Versammlung jedoch die falsche Person, bei der zweiten habe es dann geklappt: „Er war sehr froh, fast sprachlos“, berichtete Perlmann über Kaelins Reaktion. Nach dem Telefonat bedankte sich der US-Forscher bei der Nobelstiftung mit einem Selfie. Die wachste Person sei der Brite Ratcliffe gewesen - er befand sich zum Zeitpunkt des Anrufs bereits im Büro und schrieb gerade an einem Antrag für ein EU-Forschungsprojekt (mehr dazu in einem Telefoninterview).

Seit 1901 haben 216 Menschen den Nobelpreis für Medizin erhalten, darunter zwölf Frauen. Der erste ging an den deutschen Bakteriologen Emil Adolf von Behring für die Entdeckung einer Therapie gegen Diphtherie.

Die höchste Auszeichnung für Mediziner ist in diesem Jahr mit umgerechnet 830.000 Euro (neun Millionen Schwedischen Kronen) dotiert. Im vergangenem Jahr hatten der US-Amerikaner James Allison und der Japaner Tasuku Honjo den Preis für die Entwicklung von Immuntherapien gegen Krebs erhalten.

Preise für Physik und Chemie folgen

Mit dem Medizinpreis startete der Nobelpreisreigen. Am Dienstag und Mittwoch werden die Träger des Physik- und des Chemiepreises benannt. Am Donnerstag folgt die Bekanntgabe der diesjährigen Literaturnobelpreisträger. In diesem Jahr werden ausnahmsweise zwei Autoren geehrt, da der Preis 2018 nach einem Skandal im Jurygremium nicht vergeben wurde.

Am Freitag wird bekannt, wer den diesjährigen Friedensnobelpreis erhält. Die Verkündung der Preisträger endet am folgenden Montag, 14. Oktober, mit dem von der schwedischen Reichsbank gestifteten Wirtschaftsnobelpreis.

Die feierliche Vergabe aller Auszeichnungen findet traditionsgemäß am 10. Dezember statt, dem Todestag des Preisstifters Alfred Nobel.

Bereits am 25. September waren die vier Träger der diesjährigen Alternativen Nobelpreise von der Right Livelihood Stiftung bekanntgegeben worden. Es sind die schwedische Schülerin Greta Thunberg, die Menschenrechtskämpferin Aminatu Haidar aus der Westsahara, die chinesische Frauenrechtlerin Guo Jianmei sowie der brasilianische Ureinwohner Davi Kopenawa.

science.ORF.at/APA/dpa

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