Was Abwasser über den Lebensstil verrät
Vieles, was der Mensch zu sich nimmt, scheidet er direkt oder in leicht veränderter Form wieder aus. Deswegen finden sich im Abwasser Stoffwechselprodukte von Lebensmitteln, Arzneimitteln oder Drogen. Daraus lässt sich ableiten, welche Mengen davon die Bevölkerung konsumiert.
SIERRA ORLANDO SIERRA / AFP
Eine detaillierten Abwasseranalyse verrät aber noch vieles mehr, wie die Forscher um Phil Choi von der australischen University of Queensland nun berichten. Anhand der chemischen Spuren lässt sich erkennen, wie die Menschen leben, die an die jeweilige Kanalisation angeschlossen sind - unter anderem, ob sie eher wohlhabend oder arm sind.
Die Studie
”Social, demographic, and economic correlates of food and chemical consumption measured by wastewater-based epidemiology”, PNAS, 7.10.2019
Für seine Studie hat das Team das Abwasser in 22 Kläranlagen am australischen Kontinent unter die Lupe genommen. In den Einzugsgebieten wohnen etwas mehr als ein Fünftel der gesamten Bevölkerung. Insgesamt haben sie nach 42 Biomarkern gesucht. Die Ergebnisse der Wasseranalyse haben sie dann mit sozioökonomischen Daten aus den verschiedenen Gegenden korreliert.
Eine Frage des Preises
Vitamine und Ballaststoffe bzw. deren Stoffwechselprodukte geben beispielsweise Hinweise auf die Ernährung. Gemessen an den Biomarkern sind Menschen in reichen Gegenden, wo Wochenmieten mehr als 280 Euro kosten, besonders gut mit B-Vitaminen, Zitrusfrüchten, ballaststoffreichen Körnern, Gemüse und Obst versorgt. In ärmeren Bezirken, wo z.B. viele Arbeitslose leben, sind hingegen eher wenige B-Vitamine im Abwasser nachzuweisen. Das zeige, dass benachteiligte Gruppen weniger gesunde Lebensmittel kaufen bzw. sie sich das nicht leisten können.
Bei anderen Vitaminen, z.B. Vitamin E, hängt die Versorgung nicht so sehr an ökonomischen Lebensumständen, schreiben die Autoren, denn pflanzliches Öl konsumieren alle ausreichend – es auch für alle leistbar. Auch bei anderen Produkten, wie z.B. Kaffee, dürfte der Preis eine entscheidende Rolle spielen. In reichen Gegenden findet man jedenfalls deutlich mehr Spuren von Koffein. Das gleich gilt für Alkohol.
Ungleichheiten aufspüren
Anders sieht es bei zahlreichen Medikamenten aus: Manche Opiode, Antiepileptika sowie Antidepressiva werden vor allem dort konsumiert, wo das Einkommens- und Bildungsniveau eher niedrig ist. Andere Arzneien, wie solche gegen Bluthochdruck oder Antibiotika werden überall in vergleichbaren Dosen eingenommen.
Die Ergebnisse unterstreichen, wie sehr das Umfeld bzw. der Status die Lebensgewohnheiten bestimmen. Abwasseranalysen wie diese könnte in Zukunft dabei helfen, derartige soziodemografische Muster und Ungleichheiten aufzuspüren.
Eva Obermüller, science.ORF.at