Chemienobelpreis für Batterieforscher
Das gab die Königlich Schwedische Akademie der Wissenschaften in Stockholm bekannt. Die Auszeichnung ist heuer wieder mit neun Millionen schwedischen Kronen (rund 830.000 Euro) dotiert.
„Durch ihre Arbeit haben die drei Forscher die Voraussetzungen für eine drahtlose und von fossilen Brennstoffen freie Gesellschaft geschaffen und damit den größten Nutzen für die Menschheit gebracht“, hieß es seitens des Nobelpreiskomitees.
The 2019 #NobelPrize in Chemistry has been awarded to John B. Goodenough, M. Stanley Whittingham and Akira Yoshino “for the development of lithium-ion batteries.” pic.twitter.com/LUKTeFhUbg
— The Nobel Prize (@NobelPrize) 9. Oktober 2019
Die leichten, wiederaufladbaren und starken Batterien würden in zahlreichen Produkten wie Mobiltelefonen, Laptops und Elektrofahrzeugen eingesetzt. Sie können große Mengen an Solar- und Windenergie speichern und machen so eine Welt frei von fossilen Kraftstoffen möglich, wie es weiter hieß.
Wurzeln in der Ölkrise
Lithium-Ionen-Batterien haben ihre Wurzeln in der Ölkrise der 1970er Jahre. M. Stanley Whittingham (77) von der Binghamton University im US-Bundesstaat New York begann zu dieser Zeit, Supraleiter zu erforschen und entdeckte dabei mit Titandisulfid ein extrem energiereiches Material. Dieses nutzte er als innovative Kathode in einer Lithium-Batterie. Metallisches Lithium als Anodenmaterial setzt viele Elektronen frei, womit die Batterie großes Potenzial gehabt hätte - wäre metallisches Lithium nicht sehr reaktiv und die Batterie damit explosiv.
John B. Goodenough von der University of Texas in Austin, 1922 in der deutschen Stadt Jena geboren und heute mit 97 Jahren der älteste Nobelpreisträger überhaupt, sagte vorher, dass die Kathode noch größeres Potenzial hätte, wenn sie aus einem Metalloxid statt eines Metallsulfids bestehen würde. Nach einer systematischen Suche zeigte er 1980, dass mit einer Kathode aus Kobaltoxid bis zu vier Volt erzeugt werden können. Das Nobelpreiskomitee bezeichnete das als „wichtigen Durchbruch, der zu deutlich leistungsfähigeren Batterien führte“.

APA/AFP/Jewel SAMAD
John B. Goodenough 2013 bei einer anderen Preisverleihung - durch den damaligen US-Präsidenten Barack Obama
Batterien kamen vor knapp 30 Jahren auf den Markt
Auf Basis der Kathode von Goodenough entwickelte Akira Yoshino (71) von der Meijo University in Nagoya (Japan) 1985 die erste kommerziell verwertbare Lithium-Ionen-Batterie. Statt reaktiven Lithiums in der Anode verwendete er ein Kohlenstoffmaterial (Ölkoks) für die Kathode. Das Ergebnis sei ein strapazierfähiger Akku gewesen, der sich durch sein geringes Gewicht auszeichnet und Hunderte Male aufgeladen werden kann, bevor sich seine Leistung verschlechtert.
1991 kamen dann die ersten Lithium-Ionen-Batterien auf den Markt. Ihr Vorteil besteht laut Nobelpreiskomitee darin, dass sie nicht auf chemischen Reaktionen beruhen, die die Elektroden zerstören, sondern auf dem Fluss von Lithium-Ionen, die sich zwischen Anode und Kathode hin und her bewegen.
Wiener Chemiker zeigen sich begeistert
„Begeistert“ zeigte sich Markus Valtiner von der Technischen Universität (TU) Wien angesichts der Vergabe des diesjährigen Chemienobelpreises an die Entwickler der Lithium-Ionen-Batterien. Die Technologie liege auch im Hinblick auf den Klimawandel am Puls der Zeit, sagte er zur APA.
Die breitere Anwendung in Elektro-Kraftfahrzeugen oder als leistungsfähige Energiespeicher seien „genau die Dinge, die wir jetzt brauchen“, so Valtiner, der am Institut für Angewandte Physik der TU in dem Bereich forscht. Man sehe aber auch, wie lange es in der Wissenschaft mitunter braucht, bis Erkenntnisse anwendbar werden. Trotzdem habe man sich in Fachkreisen bereits gefragt, „wann diese Entdeckung einmal anerkannt wird“, sagte Nino Maulide, der an der Uni Wien Professor für Organische Synthese ist.

Johan Jarnestad/The Royal Swedish Academy of Sciences
Das Funktionsprinzip von Yoshinos Batterie
Das lag vor allem auch daran, dass der Auslöser der Entwicklung, der 97-jährige US-Forscher John Goodenough, auf den 100. Geburtstag zusteuert. Bei den Lithium-Ionen-Akkus handle es sich um eine jener Innovationen, die vielleicht schon derart selbstverständlich geworden sind, dass ihnen die höchste Anerkennung dann fast verwehrt blieb, so Maulide.
Wenn man aber an Laptops, Smartphones oder an die E-Mobilität denke, sei die Technologie natürlich nicht mehr wegzudenken. Nachdem die prinzipielle Funktionsweise laut Maulide nicht extrem schwierig umzusetzen gewesen sei, lag der Clou vor allem darin, die richtigen Materialien und Kombinationen zu finden, die das System stabil und vor allem wiederaufladbar machten.
„Schon länger erwartet“
„Seit fünf bis sieben Jahren findet sich die Technologie schlussendlich auch in Kfz“, sagte Valtiner. Der Ansatz war jedoch „von Anfang an ein revolutionäres Konzept für Energiespeicher“, da in den Akkus eben Lithium-Ionen hin und her transferiert werden, ohne chemische Reaktion. Ab den 1990er Jahren sei der Fortschritt dann breit bemerkbar gewesen, weil Laptops plötzlich deutlich länger ohne Aufladen liefen. Valtiner: „Ich persönlich habe den Preis schon länger erwartet - auch weil die Batterien einen merkbaren Fortschritt für die Menschheit bedeuten.“
Das Forschungsgebiet selbst ist mittlerweile stark gewachsen. Seit der Reaktorkatastrophe von Fukushima und der Hinwendung in Richtung Energiewende gebe es „Riesenschwung in dem Bereich“. Dieser könnte nun durch den Preis nochmals ein Stück weit stärker ausfallen - auch angesichts der Klimawandeldiskussion.

APA/AFP/TT News Agency/Naina Helen JAMA
Die drei Chemienobelpreisträger 2019
Interessant ist laut Maulide der Aspekt, „dass es sich hier um eine wirtschaftsorientierte Entwicklung“ handle - Kopreisträger Stanley Whittingham war etwa lange Jahre beim US-Konzern Exxon, Akira Yoshino ist bei dem Chemiekonzern Asahi Kasei Corporation tätig. Dass ein derart angewandtes Forschungsgebiet in der Wissenschaftsgemeinde vielleicht nicht immer die höchste Reputation genieße, sei möglich: „Es könnte sein, dass man das als reine angewandte Forschung angesehen und daher so lange gewartet hat. Die grundlegende Relevanz dieses Preises kann man aber gar nicht überschätzen.“
Im Vorjahr wurde Evolutionsforschung ausgezeichnet
Im vergangenen Jahr ging die Auszeichnung zur Hälfte an die US-Forscherin Frances Arnold, zur anderen Hälfte an den US-Wissenschaftler George Smith und seinen britischen Kollegen Gregory Winter. Sie wurden für Methoden ausgezeichnet, welche die Mechanismen der Evolution gezielt für chemische Reaktionen einsetzen, etwa die Produktion maßgeschneiderter Enzyme und Antikörper. Übergeben wird der Preis alljährlich am 10. Dezember, dem Todestag des Stifters Alfred Nobel.
science.ORF.at/APA
Die Chemienobelpreise der vergangenen Jahre:
- 2018: Für Evolution im Labor
- 2017: Für „coole“ Mikroskopie
- 2016: Für Forschung zu Nanomaschinen
- 2015: Für DNA-Forscher