Verbreitung und Wirkung oft ein Mythos

Die Geisteskräfte steigern mit Medikamenten oder illegalen Drogen: Laut einer Expertin ist dieses Gehirndoping weniger verbreitet als oft angenommen. Auch die Wirkung wird vielfach überschätzt.

Gehirndoping ist der deutsche Begriff für Neuro-Enhancement - der Versuch, seine Gehirnleistung zu steigern, in dem man sich eine bestimmte Substanz zuführt. Das können legale oder illegale Drogen sein, es kann geraucht, geschluckt oder gespritzt werden. Je nachdem, ob man sich konzentrieren oder kreativ sein möchte, sich viel merken oder schnell reagieren.

Nicole Kronberger war zu Gast im Rahmen der Fachtagung „Gesellschaft unter Druck – was nun?" (21.-23.10.) der Österreichischen ARGE Suchtprävention in Wien.

Ö1-Sendungshinweis

Über das Thema berichteten auch die Ö1-Journale, 22.10., 12:00 Uhr.

Damit der Konsum von Drogen oder Medikamenten als Gehirndoping gilt, ist ein Kriterium entscheidend: Man möchte mit den Tabletten oder anderen Substanzen seine Gehirnleistung ganz gezielt steigern – also zum Beispiel sich in kürzerer Zeit mehr merken. Die Sozialpsychologin Nicole Kronberger von der Johannes Kepler Universität Linz hat verschiedene Studien aus dem deutschsprachigen Raum zum Thema Gehirndoping zusammengefasst.

Schwierige Datenlage

Aussagekräftige Zahlen darüber, wie beliebt Gehirndoping in Österreich ist, gebe es keine, meint sie. Auch für den deutschsprachigen Raum ist es eine vage Schätzung: „Die Daten, die wir dazu haben sind, dass ein bis 20 Prozent der Leute angeben, dass sie solche Substanzen zumindest schon einmal in ihrem Leben genutzt haben.“

Das Problem bei den Umfragen, die Nicole Kronberger vorliegen, ist, dass manche von Ihnen gezielt auf die Einnahme von Tabletten fokussieren, andere unter Umständen auch Marihuana oder Alkohol als Dopingmittel betrachten. Dementsprechend schwierig ist eine zusammenfassende Statistik.

Nicole Kronberger hat außerdem einen Teil der Studierenden befragt, die im vergangenen Sommer für den Aufnahmetest zum Medizinstudium in Österreich gelernt haben. Von rund 300 Studierenden gaben sechs Prozent an, Medikamente oder andere Mittel verwendet zu haben, ohne krank zu sein, sondern um besser lernen zu können. Darunter Medikamente wie Methylphenidat, also Ritalin, aber auch Koffeinpillen, Cannabis, Kokain und andere illegale Drogen.

Glaube, dass Praxis weit verbreitet ist

Doch es war eine andere Erkenntnis, die Kronberger erstaunte. Ihre Umfrage offenbarte einen Mythos, der zumindest unter Studenten und Studentinnen weit verbreitet zu sein scheint. Sie ließ die Studierenden schätzen, wie viele der anderen die erwähnten Hilfsmittel verwendeten, um besser lernen zu können.

„Das wird wesentlich höher eingeschätzt. Interessant ist, dass die Zahlen nicht wahnsinnig hoch sind, aber die Menschen glauben, dass die jeweils anderen es betreiben,“ so ihr Resümee. Auch andere Studien kommen zu dem Schluss, dass Gehirndoping weniger verbreitet ist als viele annehmen, so Nicole Kronberger.

Sie erzählt auch von einem weiteren Mythos – da gehe es um die Wirksamkeit. Die sei nämlich eher ein Wunsch als tatsächliche Realität. „Man kann mit manchen Substanzen wie etwa Methylphenidat oder Koffein schon mehr Wachheit erzeugen. Aber das Problem ist sehr oft, dass auch Nebenwirkungen auftreten“, so Kronberger. Diese Nebenwirkungen machten die Leistungssteigerung dann letztendlich zunichte. Um langfristig kreativ und vor allem intelligent zu bleiben, empfiehlt Kronberger sogenannte Lebensstilstrategien: gesünder leben, länger schlafen, meditieren und Sport.

Hanna Ronzheimer, Ö1-Wissenschaft

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