Aspirin und Co. gegen Depressionen
Niedergeschlagen, lustlos und antriebschwach – geschätzt leiden weltweit 350 Millionen Menschen unter den typischen Symptomen einer schweren Depression. Keine andere psychische Erkrankung ist so häufig und die Zahl der Betroffenen nimmt weiter zu. Behandelt werden sie im Rahmen einer Psychotherapie oder mit Antidepressiva, die versuchen, das chemische Gleichgewicht im Gehirn wiederherzustellen. Bei einem knappen Drittel der Patientinnen und Patienten hilft weder das eine noch das andere. Beim Rest ist die Rückfallquote trotz erfolgreicher Behandlung hoch.
Die Studie
”Efficacy and safety of anti-inflammatory agents for the treatment of major depressive disorder: a systematic review and meta analysis of randomised controlled trials”, Journal of Neurology Neurosurgery & Psychiatry, 29.10.2019
Das liegt vermutlich auch daran, dass bis heute nicht restlos geklärt ist, warum jemand überhaupt an einer Depression erkrankt. Allgemein geht man davon aus, dass meist mehrere Faktoren zusammenkommen, seelische wie körperliche. Manche Menschen dürften genetisch vorbelastet sein. Äußere Auslöser wie Traumata, Drogen oder sogar die Jahreszeiten könnten zum Ausbruch führen.
Erst in jüngerer Vergangenheit haben Experten eine überraschende körperliche Dimension der Erkrankung beobachtet: Depressive Personen haben häufig erhöhte Entzündungswerte – wobei bis jetzt nicht klar ist, ob es sich dabei um eine Ursache oder ein Symptom handelt. Dass Psyche und Körper aber stärker wechselwirken als lange vermutet, ist sehr wahrscheinlich.
Linderung der Symptome
Sollten Entzündungen tatsächlich eine Rolle spielen, eröffnet das auch neue Behandlungsmöglichkeiten. Ob entzündungshemmende Medikamente helfen, haben mittlerweile bereits einige Studien untersucht; die Ergebnisse waren aber nicht eindeutig. In einer großen Metastudie haben die Forscher um Shuang Bai von der chinesischen Huazhong Universität nun versucht, die derzeitige Datenlage möglichst vollständig zu erfassen. Dabei wurden 30 vier- bis zwölfwöchige Studien mit mehr als 1.600 Teilnehmerinnen und Teilnehmern und verschiedenste Arten von entzündungshemmenden Medikamenten berücksichtigt, z.B. mit nichtsteroidalen Antirheumatika – zu dieser Klasse gehören gängige Arzneimittel wie Aspirin oder Ibuprofen, Omega-3-Fettsäuren, Statinen, aber auch Antibiotika.
Tatsächlich konnten die Medikamente depressive Symptome effizienter lindern (um 52 Prozent) bzw. beseitigen (um 79 Prozent) als Placebos. Noch deutlicher war der Effekt, wenn die entzündungshemmenden Mittel zusätzlich zu klassischen Antidepressiva genommen worden waren. Schwere Nebenwirkungen waren keine aufgetreten. Die Ergebnisse der Studien waren zwar nicht ganz einheitlich und bei der Einstufung der Depression wurden unterschiedliche Skalen verwendet, so die Studienautoren, dennoch: Der Ansatz sei bei der Behandlung der neuen Volkskrankheit sehr vielversprechend.
Eva Obermüller, science.ORF.at