Der Superstar der Habsburger

Joseph II. war nur zehn Jahre lang Kaiser. Trotz seiner kurzen Regentschaft setzte er viele Reformen um, die Österreich bis heute prägen. Diese „Aufklärung von oben“ mache ihn zum eigentlichen Superstar der Habsburger - so der Tenor bei einem Symposium.

Als Habsburger ist er im Vergleich zu anderen Vor- und Nachfahren relativ unbekannt: Anders als mit Kaiserin Sisi oder seiner Mutter Maria Theresia wird mit Joseph dem Zweiten keine Werbung gemacht, er wird auch nicht als Touristenmagnet in Szene gesetzt. Doch für viele Historikerinnen und Historiker ist er eine, wenn nicht die Schlüsselfigur des Hauses Habsburg. Warum der Monarch, der nur von 1780 bis 1790 an der Macht war, das Land bis heute prägt, war gerade Thema bei einem Symposium am Josephinum.

Ö1-Sendungshinweis:

Diesem Thema widmet sich auch ein Beitrag im Mittagsjournal, am 7.11. um 12.00 Uhr.

Reformen bis heute sichtbar

Josephs Reformpläne sind in Wien bis heute sichtbar. Das Josephinum auf der Währingerstraße etwa, das der Kaiser 1785 eröffnete, diente als medizinisch-chirurgische Militärakademie – eine Institution, die der Forschung und Weiterentwicklung der Medizin verpflichtet war. Heute ist dort das Institut für die Geschichte der Medizin der Medizinischen Universität Wien untergebracht.

Gemälde von Maria Theresia und Joseph II.

ORF/Interspot Film

Maria Theresia und Joseph II.

Neben zahlreichen Reformen im Bereich der Gesundheitspolitik, dazu zählt auch die Errichtung des Allgemeinen Krankenhauses in Wien, steht der visionäre Kaiser hinter dem Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch, er etablierte die Strukturen der beamtischen Verwaltung und er machte der Leibeigenschaft des Bauernstandes ein Ende. Joseph II. förderte auch die Kulturnation, zu seinen bekanntesten Protegés zählt Wolfgang Amadeus Mozart.

„Aufklärung von oben“

Reformen, die die österreichische Gesellschaft fundamental veränderten, sagt der Historiker Pieter Judson von der Europäischen Hochschule Florenz. Joseph II. sei deswegen auch beim Bauernstand beliebt gewesen. „Nicht weil die Bauern konservativ oder monarchistisch waren, sondern weil sie sehr gut verstanden haben, dass sich der Kaiser mit seiner neuen Art der Politik gegen die lokalen Herrschaftsstrukturen stellte“, so Judson.

Mit seinen Reformen vergrößerte Joseph den gesellschaftlichen Spielraum vieler Bürgerinnen und Bürger: Für die Ärmsten verbesserte sich der Zugang zu schulischer Bildung, Leibeigene wurden zu selbstbewussten Bauern und mit dem Beamtenstaat wuchs die bürgerliche Mittelschicht. „Die Bürokraten, die Beamten waren die neuen Helden, sie waren das Instrument, dass die Gesellschaft modernisieren sollte“, sagt Judson. Nach Ansicht des Kaisers sollten die Beamten seine emanzipierenden Reformen ins Volk bringen - eine „Aufklärung von oben“ also.

Krieg stoppte die Erneuerung

Als Vertreter einer solchen Geisteshaltung wollte er erreichen, dass die Menschen lernen für sich selbst zu denken, um den absolutistisch gelenkten Staat zu stärken. Auch wenn Josephs Projekte nicht auf eine Demokratisierung abzielten, hätte sich die österreichische Gesellschaft ohne ihn nicht in dieser Form entwickeln können, ist Judson überzeugt. Dennoch stehe der einflussreiche Monarch bis heute im Schatten vieler anderer Habsburger, unter anderem seiner Mutter, Maria Theresia.

Judson bedauert es, dass Joseph nicht zu den bekanntesten Habsburgern zählt. In Österreich höre man viel über Sisi und Franz Joseph oder Maria Theresia. „Aber ich sehe ihn wirklich als Superstar Nummer eins der Habsburger“, so der Historiker. Er empfiehlt deswegen, sich genauer mit der Biographie des großen Reformers zu beschäftigen. Die kurze Herrschaft der Aufklärung endete kurz nach Josephs Tod. Grund dafür war allerdings nicht die plötzliche Rückkehr zu einer konservativen Politik, sondern die Napoleonischen Kriege, in die das Kaiserreich bis 1815 verstrickt war.

Marlene Nowotny, Ö1 Wissenschaft

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