Warum Babys Schluckauf haben

Was passiert im Gehirn Neugeborener, wenn sie „Hicks“ machen? Britische Forscherinnen haben das untersucht - und geben eine überraschende Antwort: Der Schluckauf fördert die Hirnentwicklung.

Nach dem Stillen geht es meistens los. Mütter wissen das natürlich, und Mediziner können sogar eine Statistik beisteuern. 15 Minuten sind es, die ein durchschnittliches Neugeborenes pro Tag mit Schluckauf beschäftigt ist. Die Frage ist nur: Warum eigentlich? Beziehungsweise: Hat das auch einen Sinn? Dass dem tatsächlich ein Zweck innewohnt, legt zumindest eine Untersuchung von Forscherinnen des University College London nahe.

Neue Verknüpfungen im Gehirn

Bei der Studie im Fachblatt „Clinical Neurophysiology“ hätte es Potenzial für knackige Titel gegeben, „Die Neurobiologie des ‚Hicks‘“ wäre ein Angebot für die naturwissenschaftlich interessierte Leserschaft gewesen, „Hicks et nunc“ für die humanistisch orientierte, tatsächlich wurde es: „Ereigniskorrelierte Potenziale im Anschluss an die Kontraktion respiratorischer Muskulatur von früh- und neugeborenen Kindern“. Nun denn, der Inhalt ist jedenfalls überraschend. Laut den Untersuchungen von Kimberley Whitehead und ihrem Team löst nämlich jedes „Hicks“ typische Erregungswellen in der Großhirnrinde von Babys aus.

Ein Baby im Bett

AP

Der Schluckauf fördert das Zusammenspiel der Hirnregionen

Drei sind es an der Zahl, die dritte zeigt große Ähnlichkeit zu jenen EEG-Mustern, die auch auf ganz normale Geräusche folgen. Und eben diese dritte dürfte laut Interpretation der Studienautoren dazu dienen, im Gehirn Verknüpfungen für verschiedene Sinnesempfindungen anzulegen. Das heißt konkret: Das Baby lernt, dass die gefühlte Kontraktion der Zwerchfellmuskulatur mit dem gehörten „Hicks“ zusammengehört. Diese Übung dürfte notwendig sein, um die Atmung später willentlich kontrollieren zu können.

Und Erwachsene?

So weit, so plausibel - nur wirft die Erkärung eine andere Frage auf: Warum haben auch Erwachsene mitunter Schluckauf, obwohl sie diese Verknüpfungen längst besitzen? Hier wusste die Wissenschaft bisher wenig beizusteuern, sagt Whitehead: „Der Schluckauf schien bloß ein Ärgernis zu sein. Wir vermuten, dass es sich um das Überbleibsel eines Reflexes handelt, der in der Kindheit eine wichtige Funktion hatte.“

Ähnlich hatten die Forscherinnen schon in einer früheren Studie argumentiert: Wenn Babys im Mutterbauch mit den Füßen treten oder mit den Händen boxen, dann könnte es sich auch in diesem Fall um eine Übungseinheit zur Festigung der Wahrnehmung handeln. Laut Whitehead lernen die Babys auf diese Weise, sich selbst zu spüren - und legen so eine Karte ihres eigenen Körpers im Gehirn an.

Robert Czepel, science.ORF.at

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