Mehr Transparenz bei der Zulassung

Künftig müssen alle Studien und Daten offengelegt werden, die in Zulassungsverfahren von Pflanzenschutzmitteln und Lebensmittelzusätzen verwendet werden. Damit reagiert die EU auf Umweltaktivisten und -aktivistinnen.

Ist der Unkrautvernichter Glyphosat krebserregend oder nicht? Ist das Gelier- und Verdickungsmittel Carrageen, das sich in vielen Puddings und Fertigdressings befindet, gesundheitsschädlich? Wie wirken sich Insektengifte wie Neonicotinoide auf Bienen aus? Das alles zu bewerten, ist Aufgabe der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit, EFSA. Hierfür sammelt sie Studien von Forschungsinstituten sowie von den jeweiligen Herstellern selbst. Letztere waren in der Vergangenheit nicht immer für die Allgemeinheit zugänglich, was für Kritik sorgte.

Dafür soll es mit den neu beschlossenen Gesetzänderungen keinen Grund mehr geben. Mit spätestens März 2021 sollen alle Studien und Daten, die zur Beurteilung des Gesundheits- und Umweltrisikos herangezogen werden, online gestellt werden, erklärt Bernhard Url, der Geschäftsführende Direktor der EFSA. Das betrifft sowohl künftige Neuzulassungen als auch Neubewertungen. „Kurz nachdem ein Antragsteller eine Risikobewertung bei der EFSA beantragt, werden wir sehr früh im Verfahren die Rohdaten in einer strukturierten Form zur Verfügung stellen, sodass andere auch quasi parallel eine Risikobewertung durchführen können, wenn sie die Expertise dazu haben.“ Externe Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen können die Daten zudem für eigene, alternative Studien nutzen. Bürger und Bürgerinnen sollen in allen Fällen auf Informationen aufmerksam machen, die in die Bewertung miteinbezogen werden sollen.

Grenzen der Transparenz

Die Transparenz hat aber nach wie vor Grenzen. Informationen über die Produktzusammensetzung, Lieferketten, neue Techniken sowie über Verunreinigungen können auch weiterhin zum Schutz des Firmengeheimnisses unter Verschluss gehalten werden. Wenngleich sofern nur die wirtschaftlichen Interessen durch das Veröffentlichen der Informationen erheblich gefährdet wären. Das zu beweisen, sei Sache der jeweiligen Firma, überprüft werden die Argumente von der EFSA. „Das ist eine sehr starke Prüfbedingung. Die müssen nachweisen, dass, wenn wir das veröffentlichen würden, ihre wirtschaftlichen Interessen signifikant unterminiert werden würden.“

Ö1-Sendungshinweis

Dem Thema widmet sich auch ein Beitrag in Wissen aktuell: 18.11., 13:55 Uhr.

Abgesehen davon darf die EFSA ab 2021 nur mehr jene Studien und Analysen in die Risikobewertung einbeziehen, die vorab in ein öffentliches Register eingetragen wurden. Damit soll verhindert werden, dass ein Hersteller vier Studien in Auftrag gibt und nur die mit dem positivsten Ergebnis an die EFSA zur Bewertung weiterleitet, erläutert Url. „Das heißt, man will diese Kette schließen, damit nichts mehr dazwischen verloren gehen kann.“

Um die Qualitätsstandards in den Partner-Labors der Mitgliedstaaten zu erhöhen, will die Kommission zudem in den nächsten Jahren die Forschungsarbeit vor Ort überprüfen. Allenfalls könnte es danach weitere rechtliche Regelungen für die Laborarbeit geben.

Einheitliche Risikokommunikation

Neben Transparenz und Qualität der Studien will die EU in Zukunft auch klarer und einheitlicher über mögliche Risiken von Pflanzenschutzmitteln oder Lebensmittelzusätzen informieren. Hier habe man aus Fehlern in der Vergangenheit gelernt – etwa bei der Fipronilkrise im Jahr 2017, bei der das gefährliche Insektengift in zahlreichen Eiern auftauchte. Nationale Behördenberichte sorgten dabei für Verwirrung. „Hier haben die Niederlande anders informiert als Belgien und Belgien anders als Frankreich, wodurch sowohl Konsumenten als auch der Handel ratlos waren, was zu tun ist.“ Als vierte große Neuerung sollen in Zukunft die Mitgliedstaaten stärker in den Bewertungsprozess der EFSA eingebunden werden. Laut Url soll das die Staaten dazu bringen, die Behörde mehr als ein Teil von ihnen wahrzunehmen und Verantwortung zu übernehmen.

An der Risikobewertung selbst werden diese Regelungen nichts ändern, so Url. Vielmehr aber will man damit das Vertrauen in das EFSA-System stärken. Kritik gab es zuletzt bei der Bewertung der Frage, ob Glyphosat krebserregend ist. Hier wurde ein Teil der Informationen durch die Behörde zurückgehalten, um Firmengeheimnisse zu schützen. Der Grund war Unklarheit über die damalige Rechtslage, argumentiert Url. Nach einer Klage von Umweltaktivisten verpflichtete der EuGH die EFSA erst im April dazu, alle Informationen im Glyphosat-Fall offenzulegen. Nicht zuletzt aufgrund dieser Klage gibt es jetzt auch das neue Gesetz. „Wir haben nun endlich eine klarere Rechtsbasis“, so der EFSA-Direktor.

Geht es nach Url sollte nach der Risikobewertung überprüft werden, wie sich zugelassene Pflanzen- und Insektengifte tatsächlich in der Umwelt auswirken und wie bestimmte Mittel in der Praxis eingesetzt werden müssen, um sie so sparsam wie möglich einzusetzen „Wir machen jedes Jahr einen Pestizidrückstandsbericht und wissen genau, was die Menschen in Europa an Pflanzenschutzmitteln zu sich nehmen. Aber im Bereich Umwelt haben wir das nicht.“ Das sei aber nicht Aufgabe der EFSA, sondern Sache der Politik.

Ruth Hutsteiner, Ö1-Wissenschaft

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