Alois Hudal: „Hitlers Mann im Vatikan“

Der aus Graz stammende Bischof Alois Hudal hat nach dem Zweiten Weltkrieg zahlreichen Nationalsozialisten zur Flucht geholfen. Eine neue Biografie geht den Beweggründen von „Hitlers Mann im Vatikan“ nach.

„Der Deutsche, auch wenn er gestern einer Partei angehört hat, die heute verboten ist, hat auch ein Recht auf die helfende Liebe der christlichen Caritas, und je mehr er mit seiner Familie gefährdet ist, desto mehr ist die Caritas verpflichtet, ihm zu helfen.“

Mit diesen Worten tat der in Rom lebende österreichische katholische Bischof Alois Hudal sein Credo kund, das ihn in der Nachkriegszeit dazu bewog, zahlreichen „deutschen Flüchtlingen“ zu helfen. Doch waren das nicht etwa Vertriebenenfamilien, sondern gesuchte Kriegsverbrecher, darunter prominente Personen wie Franz Stangl, Lagerkommandant der Vernichtungslager Sobibor und Treblinka, Eduard Roschmann, der „Schlächter von Riga“, Alois Brunner, der „Spezialist“ für Judendeportationen, oder SS-Gruppenführer Otto Wächter, einer der Mörder von Bundeskanzler Engelbert Dollfuß.

Cover der Biografie zu Alois Hudal

Molden Verlag

Johannes Sachslehner: Hitlers Mann im Vatikan. Bischof Alois Hudal. Ein dunkles Kapitel in der Geschichte der Kirche. Molden Verlag 2019

Doch was bewog einen katholischen Bischof, sich für derartige Persönlichkeiten einzusetzen und ihnen - mithilfe innerkirchlicher Helfer - über die sogenannten „Rattenlinien“ die Flucht nach Syrien bzw. nach Lateinamerika zu ermöglichen? Das zeichnet der Wiener Historiker Johannes Sachslehner in seiner sorgfältig recherchierten Biografie „Hitlers Mann im Vatikan“ nach, auch wenn es wohl keine abschließende Begründung dafür geben kann.

Deutschnationale Sympathien

Hudal wurde 1885 in einfachen Verhältnissen in Graz geboren. Sein Vater war ein slowenischstämmiger Schuhmacher mit sozialistischen Sympathien, der sich später sogar von seiner äußerst frommen Frau scheiden ließ, was seinem stramm antisozialistischen, deutschnationalen Sohn immer etwas peinlich war. Als guter Schüler, talentierter Prediger und exzellenter Netzwerker konnte Alois Hudal nach seiner Priesterweihe 1908 schnell in der kirchlichen Hierarchie aufsteigen. 1923 wurde er an die Spitze des deutschsprachigen Priesterkollegs in Rom, der Anima, berufen, 1933 zum Bischof geweiht.

In der Zwischenkriegszeit verstärkten sich bei Hudal die deutschnationalen Sympathien, während seine Loyalität zu Österreich nach dem Zerfall der Habsburger-Monarchie nur noch schwach ausgeprägt war. Nach dem Aufstieg Adolf Hitlers und des Nationalsozialismus begann er, im „Führer“ und seiner Bewegung die Antwort auf seine Erwartungen zu sehen, wonach die „deutsche Nation“ eine besondere Berufung in der Welt habe.

Wollte NS und Christentum versöhnen

Hudal beschäftigte sich intensiv mit der Gedankenwelt des Nationalsozialismus, in der er einerseits eine „linke“, religionsfeindliche, andererseits aber auch eine positivere, „christentumsfreundliche“ Richtung auszumachen meinte. Seine weiteren Bemühungen gingen nun in die Richtung, eine „Versöhnung“ zwischen Nationalsozialismus und Christentum herbeizuführen - bei aller seiner Kritik etwa am „radikalen Rassebegriff“ oder dem „extremen Nationalismus“ des NS-Regimes.

Zu dieser Versöhnung sollte vor allem sein 1937 erschienenes Opus magnum „Die Grundlagen des Nationalsozialismus“ beitragen, doch Hudal scheiterte damit auf ganzer Linie: Der Vatikan zeigte sich entsetzt über die offen gezeigten nationalsozialistischen Sympathien eines katholischen Bischofs, während das NS-Regime das Buch in Deutschland aufgrund der darin geäußerten Kritik an der NS-Ideologie wiederum verbot. Damit waren eine inhaltliche „Versöhnung“ von Kirche und NSDAP genauso tot wie Hudals Aussichten auf einen Kardinalshut.

Ambivalente Persönlichkeit

Während und nach dem Zweiten Weltkrieg zeigte der Bischof dann die ganze Komplexität seiner Persönlichkeit, als er einerseits - quasi anstelle von Papst Pius XII. - gegen die Deportierung der Juden aus Rom bei den NS-Besatzern protestierte und zudem entflohene alliierte Kriegsgefangene versteckte, andererseits aber ab Kriegsende sehr darum bemüht war, möglichst vielen „verfolgten Deutschen“ das Abtauchen auf andere Kontinente zu ermöglichen. Nachdem er in den 1950er Jahren allerdings immer mehr zur persona non grata im Vatikan geworden war, zog er sich auf einen Landsitz nahe Rom zurück, wo er bis zu seinem Tod 1963 lebte.

Sachslehner zeichnet sorgfältig und sachlich den widersprüchlichen Charakter seines Protagonisten, mit zahlreichen Zitaten aus den vorliegenden Quellen. Was allerdings in dem rund 300 Seiten langen Buch etwas abgeht, ist die Einfügung von Hudals Gedankenwelt in jene seiner Zeit und der katholischen Kirche damals. Es wird zu wenig klar, welchen Platz seine Ansichten im katholischen Mainstream der damaligen Zeit einnahmen, inwieweit sie sich davon unterschieden. Im Vatikan stießen Hudals Sympathien für die Nazis etwa offenbar auf wenig Gegenliebe, während er in Österreich von der kirchlichen Hierarchie wie der staatlichen Führung bis zu seinem Tod durchwegs Wertschätzung erfuhr.

Insgesamt ist das Buch für (kirchen-)historisch Interessierte ein wichtiger Lückenfüller, um die Rolle von „Hitlers Mann im Vatikan“ in ihrer ganzen Komplexität zu betrachten.

Petra Edlbacher/APA