Musik, die bildet und verbindet

Armut reduzieren und jungen Menschen eine Perspektive geben, das will das internationale Musikprojekt „El Sistema“. In seinem Ursprungsland Venezuela holt es Kinder von der Straße, in Europa verbessert es Bildungschancen, wie ein Grazer Projekt zeigen konnte.

Vor vier Jahrzehnte gründete Komponist, Politiker und Sozialreformer José Antonio Abreu „El Sistema“ in Caracas. Das Netzwerk von Klassikorchestern und Chören für Kinder und Jugendliche aus benachteiligten Verhältnissen ist heute weltbekannt und umspannt mehr als 50 Länder. Ursprünglich sollte es Kindern aus allen Schichten Zugang zu Bildung und Musik ermöglichen, heute verbindet „El Sistema“ die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen mit künstlerischer Betätigung.

Bildung wichtig für nachhaltige Entwicklung

Nachhaltiger Konsum, Klimaschutz und saubere, bezahlbare Energie sind drei der 17 Entwicklungsziele, die alle 193 Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen bis 2030 erreichen wollen. Doch diese „Sustainable Development Goals“ zielen nicht nur auf Umwelt- und Klimaschutz ab, sondern eben auch auf soziale Entwicklung. Das Projekt „Music4Sustainability“ der Universität Graz hat sich „El Sistema“ zum Vorbild genommen und will zeigen, wie Musik und nachhaltige Entwicklung zusammenhängen.

Veranstaltung

Wie UNO-Entwicklungsziele und Musik zusammenhängen, ist auch Thema der Future Lectures, am 27.11. an der Uni Graz.

Ö1-Sendungshinweis

Über das Thema berichteten auch die Ö1-Journale, 26.11., 12:00 Uhr.

Für „Music4Sustainability“ haben Studierende und Lehrende des Masterstudiums Global Studies der Universität Graz europäische „El Sistema“-Initiativen analysiert. Sie konnten zeigen, dass Kinder auch in Europa davon profitieren, Musik und nachhaltige Bildungsziele zu verbinden, sagt die Nachhaltigkeitsforscherin Ulrike Gelbmann von der Universität Graz.

Bessere Chancen, weniger Armut

In Venezuela zeigten Untersuchungen, dass der Musikunterricht von „El Sistema“ einen nachhaltigen Effekt auf die Karrierechancen der jungen Menschen hat. Durch die Musik, das gemeinsame Arbeiten im Orchester und im Chor, lernen die Kinder Disziplin und Konzentration. Davon profitieren sie später im Berufsleben. Die Kinder verbringen jede Woche um die 20 Stunden in den „El Sistema“-Musikschulen, die es in ganz Venezuela gibt.

Dort unterrichten nicht nur Musiklehrer und Profimusiker. Auch ältere Kinder, die ihre Instrumente ebenfalls bei „El Sistema“ erlernt haben, geben ihr Wissen an die Jüngsten weiter. „Auf diese Art schützt man sie vor Missbrauch, davor in Kontakt mit organisierter Kriminalität zu kommen und man gibt ihnen ganz viele Werte mit, die Nachhaltigkeit begünstigen“, so Gelbmann.

„El Sistema“ auch in Österreich

In Europa sei die Aufgabe von „El Sistema“ anders, so Gelbmann. Hier gehe es auch darum, allen Kindern, unabhängig vom Einkommen der Eltern, Zugang zu musikalischer Förderung zu verschaffen. Doch die Projekte hätten vor allem im Sinn, Toleranz zu vermitteln und Integration zu fördern. „Das ist natürlich auch ein wesentlicher Nachhaltigkeitskontext“, sagt Gelbmann.

Eines dieser europäischen Projekte ist der Grazer Verein Superar, der kostenfreien und hochwertigen Musikunterricht für Kinder und Jugendliche bietet, die sonst keinen Zugang zu musikalischer Förderung hätten. Die Musik soll, so der Verein, den Einzelnen motivieren, Vorurteile auflösen und die Gemeinschaft stärken. Dazu gehören auch Auftritte mit renommierten Musikerinnen und Musikern, wie jener des Superar-Kinderchors mit dem ORF-Radiosymphonieorchester anlässlich dessen 50-jährigen Bestehens.

Marlene Nowotny, Ö1 Wissenschaft

Mehr zu dem Thema: