Wie junge Nigerianer den Hunger bekämpfen

Hunger und Armut gehören in Nigeria zum Alltag. Junge Nigerianerinnen und Nigerianer versuchen, ihre Zukunft nun selbst in die Hand zu nehmen. Ein Dokumentarfilm zeigt Projekte aus dem bevölkerungsreichsten Land des afrikanischen Kontinents.

Etwa 14 Millionen Menschen in Nigeria gelten als unterernährt – ein Problem, das viele Ursachen hat, wie Amara Nwankpa von der nigerianischen Shehu Musa Yar´Adua Stiftung betont. Nwankpa und andere Vertreter der Stiftung setzen sich für ein demokratisches Nigeria ein, ohne Konflikte, Hunger oder Armut.

Kein Regen – keine Ernte

Ein Problem für viele nigerianische Landwirte sei das Ausbleiben von Regenfällen, meint Nwankpa: „Da die Bauern auf Regenwasser angewiesen sind, um ihre Felder zu bewässern, bedroht der Klimawandel ihre Existenzgrundlage.“

Glashaus aus Plastik in Nigeria

STEFAN HEUNIS / AFP

Mit neuen Anbaumethoden versucht man, die Landwirtschaft in Nigeria konkurrenzfähig zu machen.

Der typische nigerianische Landwirt baut Lebensmittel auf kleinen Feldern an – nicht größer als ein Hektar. Schon bei ausreichender Bewässerung könnte auf solchen Feldern nur wenig Umsatz gemacht werden. „Ein typischer Landwirt verdient in Nigeria jährlich ungefähr 275 US-Dollar. Das ist nicht einmal ein Dollar pro Tag. Die meisten Bauern leben daher unter der Armutsgrenze“, erklärt Nwankpa.

Weniger Nahrung für mehr Menschen

Das Ausbleiben heimischer Ernten ist besonders problematisch, da gleichzeitig die Bevölkerungszahl rasant zunimmt. Nigeria ist bereits jetzt das bevölkerungsreichste Land am afrikanischen Kontinent. Derzeit geht man von etwa 200 Millionen Menschen aus, die in Nigeria leben – bis zum Jahr 2050 könnte sich diese Zahl Schätzungen zufolge verdoppeln. „Das heißt, wir produzieren immer weniger Lebensmittel, haben aber immer mehr Menschen zu ernähren“, gibt Nwankpa zu bedenken.

Viele der in Nigeria angebauten Lebensmittel werden von Hand geerntet und weiterverarbeitet. Das spiegelt sich auch im Preis wider, der daher meist nicht mit den Preisen von importierten Produkten konkurrieren kann. Darum hätten ausländische Produkte heimische Lebensmittel aus manchen Regalen verdrängt, erklärt Nwankpa.

Dennoch fordert er keinen allgemeinen Import-Stopp: „In Zukunft könnte es sein, dass wir die Menge an Lebensmitteln, die wir brauchen, gar nicht selbst herstellen könnten, auch wenn sich die heimische Landwirtschaft bessert. Darum sollten wir nicht versuchen, die ausländischen Produkte zu vertreiben. Wir müssen stattdessen versuchen, heimische Produkte so effizient herzustellen, dass sie mit den importierten Produkten konkurrieren können.“

Terrormiliz vertreibt Bauern und Fischer

Die zahlreichen Konflikte im westafrikanischen Land seien ebenfalls ein Grund für die weit verbreitete Armut und Nahrungsunsicherheit in Nigeria. „Früher lebten viele Bauern und Fischer im Norden des Landes – bis die Boko Haram kam“, erzählt Nwankpa. Die islamistische Terrormiliz vertrieb seit deren Gründung im Jahr 2004 mehrere Millionen Nigerianer von deren Grundstücken. „Der Tschadsee war zum Beispiel eine der wichtigsten Quellen für Fisch in Nigeria – jetzt können wir den See nicht mehr nutzen“, so Nwankpa.

Nachhaltige Ideen junger Nigerianer

Trotz des herrschenden Hungers und der verbreiteten Armut blickt Nwankpa positiv in die Zukunft: „Ich glaube, viele junge Menschen fangen an zu verstehen, dass sie selbst etwas für eine bessere Zukunft unternehmen müssen.“ Einige von ihnen entwickelten nachhaltige Projekte, um die Armut und Nahrungsunsicherheit in Nigeria zu senken. Eine Auswahl solcher Projekte wurde im Film „Swallow: Food Security in Nigeria´s Changing Climate“ vorgestellt, der an der Wiener Universität für Bodenkultur präsentiert wurde.

Im Film nutzt etwa eine junge Nigerianerin alte Schiffscontainer als Gewächshäuser, mit denen mitten in der Stadt Nahrung produziert werden kann. Aus anfänglich einem Container wurden bald zehn, in denen Lebensmittel in einer kontrollierten Umgebung angebaut werden können.

Bei einem anderen Projekt werden Lebensmittel im Gewächshaus so angebaut, dass diese keine Erde zum Wachsen brauchen – die Wurzeln hängen dabei frei und werden mit Wasser und Nährstoffen besprüht. So hätten in Zukunft zum Beispiel ausbleibende Regenfälle und nährstoffarme Böden keine Auswirkungen auf die Lebensmittelproduktion.

Derartige Projekte seien erste Schritte, den Hunger und die Armut in Nigeria zu verringern. Nwankpa hofft, dass mit der Hilfe der jüngeren Generationen die gesamte nigerianische Landwirtschaft in Zukunft effizienter wird, um genug Nahrung für alle produzieren zu können.

Raphael Krapscha, Ö1-Wissenschaft

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