Klimabilanz: TV vs. Streaming

Filme, Serien und Videos online anzuschauen wird immer beliebter. Das verbraucht viel Energie und wirkt sich dadurch aufs Klima aus. Am klimaschädlichsten ist es laut Forschern, hochaufgelöste Videos am TV-Gerät zu streamen.

Ein Film mit einer Länge von 90 Minuten einmal über herkömmliche Kanäle, wie Satelliten- oder Kabelfernsehen geschaut und einmal in guter Qualität online auf einem Laptop gestreamt: Wie viel Energie das verbraucht, haben Forscher am Beispiel des britischen Rundfunks BBC ausgerechnet und dafür genau untersucht, über welche Geräte er empfangen und angesehen wird. Das Ergebnis fasst der Computerwissenschaftler Daniel Schien von der Universität Bristol zusammen: „Satelliten- und Kabelfernsehen sowie Streaming sind pro Nutzer ungefähr gleich auf.“ Nicht eingerechnet ist dabei die Energie, die bei der Produktion der Geräte verbraucht wird.

Wer einen Film streamt oder ihn sich am Fernseher ansieht, verursacht im Durchschnitt also alleine durch den Konsum circa gleich viel Treibhaushausgase. Sie entstehen dadurch, dass Strom zu einem Teil aus nichterneuerbarer Energie wie Öl, Kohle und Gas gewonnen wird. In Österreich sind es 28 Prozent, in Großbritannien rund 45.

Ein Mann streamt auf einem ipad, das auf seinem Schoß liegt

Adobe Photo Stock - Kaspars Grinvalds

Unterschiede im Detail

Im Detail betrachtet ist die Sache allerdings komplizierter. So unterscheidet sich der Energieverbrauch von Streamen und TV je nachdem, welchen Abschnitt man betrachtet. Geht es darum, wie der Film zu einem nach Hause geliefert wird, ist beim Streaming grundsätzlich mehr Energie notwendig, um jedem Nutzer individuell die Filme auf Servern bereitzustellen und übers Internet zu schicken, verglichen mit Satellitensignalen, die an alle Empfangsgeräte zugleich gesandt werden. „Vergleicht man also nur Auslieferungswege, sind Satelliten- und Kabelfernsehen besser dran.“

Dieser Energievorteil gleicht sich aber vereinfacht gesagt durch die Geräte, auf denen der Film geschaut wird, wieder aus. Denn Fernseher fressen wesentlich mehr Strom als Smartphones oder Laptops. Je nach Bildschirmdiagonale wächst der Energieverbrauch sogar proportional mit.

Ö1-Sendungshinweis

Über das Thema berichteten auch die Ö1-Journale, 12.12., 12:00 Uhr.

Geräte wie Set-Top-Boxen für Satelliten- und Kabelfernsehen wie auch Internet-Router und -Modems sind ebenfalls große Energiefresser, da sie meist ständig eingeschaltet sind. Damit verbrauchen die Geräte auf den Einzelnen gerechnet ebenfalls mehr Strom als Server, Sendemasten und Kabelleitungen. Allerdings ist in diesem Fall das eine kaum energieeffizienter als das andere System, so das Ergebnis der Forscher. „Die Frage, welcher von den Alternativen - TV oder Streamen - energieeffizienter ist, hängt also ganz stark davon ab, welches Endgerät man einsetzt. Das ist mit Abstand der größte Faktor.“

Mehr streamen am Fernseher

Das ist nicht zuletzt für die Zukunft wichtig. Denn immer mehr Menschen streamen auch am großen Flachbildfernseher zu Hause. Diese Variante ist nach Schiens Berechnungen am klimafeindlichsten. Auch neue Technologien wie Glasfaserleitungen könnten den Energieverbrauch von Streaming und Internetfernsehen in die Höhe treiben, so der Computerwissenschaftler. Zwar übertragen Glasfasern Daten effizienter, „wenn man aber den Nettoverbrauch betrachtet, braucht eine Glasfaser mehr Energie.“

Aktuell wird der Anteil von Videos aller Art am gesamten Energieverbrauch je nach Berechnungsmethode und Studie auf etwa zwei bis knapp vier Prozent geschätzt. Das klingt zunächst nach nicht viel. Damit verursacht das Streamen von Videos aber jährlich immerhin gleich viel oder sogar doppelt so viel Tonnen CO2, wie der zivile Flugverkehr weltweit.

Eine Frau sieht fern

ORF.at/Lukas Krummholz

Forschung uneinig

Ob zwei oder vier Prozent macht also einen großen Unterschied. Die Uneinigkeit unter den Forschern ist laut Schien unter anderem auf unterschiedliche Berechnungsmethoden zurückzuführen. „Manche Studien überschätzen den Energieverbrauch für Videodienste, und damit deren Einfluss auf das Klima. Das passiert, wenn der Anteil der Energie aller Rechenzentren weltweit einfach als Proportion des weltweiten Datenverkehrs für Videodienste modelliert wird.“ Aktuellen Schätzungen zufolge machen Videos 80 Prozent des weltweiten Datenverkehrs aus - Youtube, Pornos, Instagram und Live-Streams miteingerechnet.

Rechenzentren erfüllen allerdings teilweise auch andere Aufgaben und liefern zum Beispiel Wetterprognosen. Die Temperatur zu berechnen und online verfügbar zu machen, braucht einiges an Energie, letztlich werden aber weniger Daten übermittelt als bei einem Video. „Wirft man nun alles in einen Topf, kommen deshalb Videos schlechter weg. Eigentlich ist die Videoauslieferung sehr energieeffizient, was die Server betrifft, es werden jedoch einfach sehr viele Videos konsumiert.“

Die Forscher der Universität Bristol gehen vom Energieverbrauch eines bestimmten Gerätes aus, auf dem das Video in einer bestimmten Qualität geschaut wird und berechnen dann den Energieverbrauch von allen involvierten Geräten, bis zum Server. Auf diese Weise kamen Schien und seine Kollegen bei einer im Mai veröffentlichten Studie zu dem Ergebnis, dass allein Youtube im Jahr 2016 knapp 20 Terawattstunden Energie bzw. zehn Millionen Tonnen Kohlendioxid-Äquivalente verursacht hat. „Das entspricht ungefähr dem Wert von Frankfurt und Brüssel bzw. der Hälfte von Wien“, hieß es im Rahmen der Publikation.

Energieverbrauch durch Streamen steigt

Dabei wird es vermutlich nicht bleiben. Mittlerweile werden täglich mehr als eine Milliarde Stunden Videos auf Youtube gestreamt. Mit TikTok bis hin zu Apple TV etablieren sich zudem neue Videodienste auf dem Markt. Auch ins Gewicht fällt, dass Geräte eine immer bessere Auflösung haben und dadurch mehr Energie verbrauchen. Der französische Think Tank „The Shift Project“ geht sogar davon aus, dass sich der von Videos verursachte Treibhausgasausstoß bis 2025 mehr als verdoppeln könnte.

Um den Energieverbrauch möglichst gering zu halten, empfehlen Experten, Videos in niedrigerer Auflösung zu streamen oder über Wifi anstatt über mobile Daten anzuschauen, erklärt Maxime Efoui-Hess von „The Shift Project“: „Bei mobilen Daten müssen große Antennen ein Signal über sämtliche Straßen und Häuser hinwegsenden. Ein Wifi-Router befindet sich bereits bei Ihnen zu Hause, in der Nähe des Laptops oder Smartphones. Dadurch verbraucht er weniger Energie.“

Energieschonender wäre es zudem, wenn Geräte wie WLAN-Router und Set-Top-Boxen nur eingeschaltet werden, wenn sie tatsächlich benötigt werden. „Ich versuche gerade selbst, meine mobilen Daten immer auszuschalten, wenn ich sie nicht benötige. Dadurch setze ich mich auch mit der Frage auseinander, wann ich mein Handy bzw. Internet am Handy wirklich brauche“, so Efoui-Hess. Am energieeffizientesten, ergänzt Schien, ist es allerdings, wenn mehrere Menschen einen Film nicht individuell, sondern zusammen anschauen – klassisch am Fernseher oder online am Laptop.

Ruth Hutsteiner, Ö1-Wissenschaft

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