Gleich viermal zum Mars

Auch 2020 ist in der Raumfahrt einiges los: Die US-Raumfahrtbehörde NASA will wieder selbst zur Internationalen Raumstation ISS fliegen, die ISS soll von russischen Kollegen erweitert werden, und gleich vier Missionen zum Mars stehen auf dem Programm.

Kurz vor Weihnachten 2019 - die Raumkapsel “Starliner“ des Luft- und Raumfahrtkonzerns Boeing kehrt nach ihrem unbemannten Jungfernflug erfolgreich zurück zur Erde. Der Flug selbst war weniger erfolgreich, denn sein Ziel – die Internationale Raumstation – konnte das Raumschiff nicht erreichen. Da hatte Konkurrent SpaceX im März einen erfolgreicheren Jungfernflug ihrer Kapsel „Crew Dragon“ hingelegt.

Weltraumkapsel "Starliner" schwebt über der Erde

Boeing/NASA

Weltraumkapsel „Starliner“ schwebt über der Erde

„Die Tatsache, dass man in Amerika jetzt eigene Transportsysteme entwickelt, folgt der Philosophie, durch Wettbewerb Kosten zu senken“, findet Thomas Reiter, der früher mehrmals für die europäische Weltraumagentur ESA ins All geflogen ist und heute als Koordinator internationale Agenturen in ihren Diensten steht. „Ein großer Faktor bei der Raumfahrt ist immer noch der Transport, also überhaupt erst in den Erdorbit zu kommen.“ Genau dort würden Boeing und SpaceX ansetzen. Aber Reiter ist auch skeptisch: „Der Markt für solche Dienste ist relativ begrenzt - ob das also alles in Zukunft Bestand haben wird, wird sich zeigen.“

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Dem Thema widmet sich auch ein Beitrag in Wissen aktuell: 2.1., 13:55 Uhr.

Der Jungfernflug des „Starliners“ kurz vor Weihnachten misslang erst einmal. Sobald beide Kapseln jedoch einsatzbereit sind – irgendwann im Jahr 2020 -, sollen sie Astronauten zur ISS fliegen. Damit hätten die USA, neun Jahre nach dem Ende der Space Shuttles, wieder einen eigenen bemannten Zugang ins All und wären nicht länger auf die Russen angewiesen.

Russisches Forschungsmodul für die ISS

Die ISS soll 2020 überhaupt größer werden, erzählt Gerhard Thiele, ein anderer ehemaliger ESA-Astronaut: „Die Russen haben noch Module, die sie planen hochzuschicken.“ Darauf haben sie ihre internationalen Partner nun schon jahrelang warten lassen. Aber: „Wenn ein Partner einen Vorschlag hat, der ein echter Zugewinn für die Station wäre, dann kann sie durchaus noch um das eine oder andere Modul wachsen.“ Im Dezember wollen die Russen nun endlich das Forschungsmodul namens Nauka („Wissenschaft“) an die Station koppeln.

Und Russland will im All noch mehr erreichen. Gemeinsam mit den Europäern soll es Mitte des neuen Jahres aufgehen zum Roten Planeten, mit der Mission “ExoMars“. „Die Mission sucht nach Leben, aber nicht nach kleinen, grünen Männchen, sondern nach einfachen Lebensformen, einfacher noch als Bakterien“, erklärt die Astrobiologin Frances Westall, die am Nationalen Zentrum für wissenschaftliche Forschung in Orléans an der „ExoMars“-Mission arbeitet. „ExoMars“ soll Europas erster Rover auf dem Mars werden – und überhaupt Europas erste erfolgreiche Landung auf dem Planeten.

Der ExoMars-Rover

ESA/ATG medialab

Der ExoMars-Rover

Vier Marsmissionen in einem Jahr

Für die Amerikaner hingegen ist das mittlerweile Routine. Und so macht sich auch die US-Raumfahrtbehörde NASA im Sommer wieder auf den Weg dorthin, ebenfalls mit einem Rover, mit der Mission “Mars 2020“. „Dieser Rover soll Proben von Marsgestein entnehmen und sie auf der Oberfläche an einem Ort ablegen, den wir ‚Depot‘ nennen“, erläutert Ken Williford, der zuständige Projektwissenschaftler am Jet Propulsion Laboratory im kalifornischen Pasadena. In diesem „Depot“ sollen am Ende 20 bis 30 Proben liegen. „Dies wird der am besten dokumentierte Ort auf der Marsoberfläche in seiner gesamten Geschichte werden“, schmunzelt der US-Amerikaner. “Mars 2020“ soll die erste einer Reihe von Missionen werden mit dem Ziel, das eingesammelte Marsgestein zur Erde zu fliegen.

Aber „ExoMars“ aus Europa und „Mars 2020“ aus den USA werden nicht die einzigen beiden Rover sein, die demnächst auf dem Mars herumrollen sollen. China will ebenfalls versuchen, erstmals ein mobiles Fahrzeug hinunter auf die Oberfläche zu bringen. Und die Vereinigten Arabischen Emirate wollen eine Sonde in eine Umlaufbahn des Mars platzieren, um seine Atmosphäre zu untersuchen. „Die Atmosphäre des Mars ist so interessant, weil sie so dünn ist“, findet Salem Al Marri, der stellvertretende Direktor für Wissenschaft und Technologie des Mohammed Bin Rashid Space Centers in Dubai – einer Art Weltraumbehörde des Landes. „Wir wollen wissen, ob die Marsatmosphäre einst lebensfreundlich war, warum sie aber heute so ausgedünnt ist und so gut wie überhaupt keinen Sauerstoff enthält. Menschen könnten dort nicht überleben.“

Steinige Oberfläche von "Bennu"

NASA/Goddard/UA

Steinige Oberfläche von „Bennu“

Die Sonne von oben und von unten

Vor drei Jahren hat die NASA die Sonde “OSIRIS-Rex“ ins All geschickt. 2019 erreichte sie ihr Ziel, den Asteroiden Bennu. „Der Zweck der Mission ist es, eine Probe des Asteroiden zu entnehmen und sie zur Erde zu fliegen“, so Alexander May vom Raumfahrtkonzern Lockheed Martin, der die Sonde gebaut hat. „Dann können wir hier auf der Erde untersuchen, woraus dieser Himmelskörper besteht und wo er herkam.“ Im August soll die Sonde im Vorbeiflug, nur wenige Meter über der Asteroidenoberfläche, eine Art Staubsauger ausfahren und damit eine Bodenprobe Bennus entnehmen. „Wir müssen den Asteroiden dafür nur für wenige Sekunden berühren“, sagt May. „Wir senken die Sonde ab, dringen kurz in die Oberfläche ein und entfernen uns sofort wieder.“

Europa hingegen will sich im neuen Jahr mit der Sonde “Solar Orbiter“ auf den Weg zur Sonne machen. „Wir wollen mit ihr nahe an die Sonne heran - aber gleichzeitig über die Sonnenpole fliegen“, erläutert José Manuel Sánchez-Pérez, Missionsanalyst bei der ESA. Die Sonde müsse die horizontale Ebene des Sonnensystems verlassen, um sich der Sonne von oben und von unten zu nähern. Dazu soll sie den Planeten Venus als Schleuder nutzen. „Ihre Anziehungskraft wird unsere Sonde aus der waagerechten Ebene des Sonnensystems herauskatapultieren“, hofft der ESA-Wissenschaftler.

Guido Meyer, Ö1-Wissenschaft

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