Was Kristalle über das Urzeitklima verraten

In den vergangenen 500.000 Jahren waren Permafrostböden auch in südlichen Gebieten verbreitet: Mitunter reichten sie bis zum Kaspischen Meer, wie eine Untersuchung von Kalzitkristallen nachweist.

Das Team um den Geologen und Geochemiker Yuri Dublyansky von der Universität Innsbruck setzte bei seinen Untersuchungen auf sogenannte kryogene Höhlenkarbonate (CCC). Diese entstehen, wenn etwa in Karsthöhlen bei Temperaturen knapp unter dem Nullpunkt im Wasser gelöste Minerale nicht in das anwachsende Eis eingebaut werden können, heißt es in einer Aussendung des Wissenschaftsfonds FWF.

So bilden sich mitunter millimeter- bis zentimetergroße Ablagerungen, denen die Wissenschaft bisher noch relativ wenig Aufmerksamkeit geschenkt hat. In den kleinen Kristallen finden sich jedoch viele Hinweise auf die klimatischen Entwicklungen in der Umgebung, die weit ins Paläoklima, also bis rund 500.000 Jahre zurück reichen können.

Neuartiges Klimaarchiv

In Zusammenarbeit mit russischen Kollegen und Höhlenforschungsvereinen gelang es den Wissenschaftlern, Proben aus 40 abgelegen Höhlen des Uralgebirges zu sammeln. CCC fanden sich in neun der Höhlen. Durch Radioisotopenanalysen konnte dann deren Alter präzise bestimmt werden.

Forscher Yuri Dublyansky sammelt Proben in einer Höhle

Robbie Shone

Yuri Dublyansky sammelt Kristallproben

Die bisherigen Ergebnisse würden zeigen, dass „CCC ein wichtiger Marker sind, aber sensitiver und zum Teil komplexer als bisher gedacht. Die Daten zeugen nicht nur von großen Umschwüngen von arktischem zu mildem Klima im Ural. Wir beginnen auch kleinere Temperaturschwankungen zu sehen“, so Dublyansky. Klar sei bisher, dass in Kälteperioden die Permafrostgrenze bis zum Kaspischen Meer gereicht habe. In manchen Höhlen fanden sich auch CCC, die zu verschiedenen Zeiten entstanden sind. Somit gab es dort offenbar mehrere Permafrostepisoden. „Solche genauen Einblicke können andere Paläoklimaarchive nicht bieten“, sagte der Forscher, der auf diesem Weg die letzte Eiszeit vor rund 25.000 Jahren auch im südlichen Ural nachweisen konnte.

Höhlenmalereien entdeckt

Die Probenentnahme führte Dublyansky auch in die Shulgan-Tash-Höhle im südwestlichen Teil der Gebirgskette. Dort wurden vor 60 Jahren Höhlenmalereien aus der späteren Altsteinzeit gefunden, die als die östlichsten Zeugnisse der europäischen Höhlenkunst gelten.

Aufgrund von im Fachmagazin „Scientific Reports“ veröffentlichten Analysen der dortigen Gesteinsablagerungen kann nun genauer angegeben werden, wann die Darstellungen von Mammuts oder eines zweihöckrigen Kamels entstanden sind. Demnach geschah dies vor rund 16.000 bis 19.000 Jahren. Dublyansky: „Nach der Kombination aller Daten können wir sagen, dass diese Kunstwerke tief im Inneren einer dunklen Höhle bei Minusgraden angefertigt wurden.“

science.ORF.at/APA

Mehr zum Thema