Gewalt der Worte: Rechtsextrem wird „normal“

Hasspostings, Hetzreden und Euphemismen - im Alltag und in der politischen Debatte sei es zu einer Normalisierung des Rechtsextremismus gekommen, kritisieren österreichische Sozialwissenschaftler. Das habe auch Folgen für die Demokratie.

Autoritäre Demokratievorstellungen sind auf dem Vormarsch. Zu diesem Ergebnis kam das Sozialforschungsinstitut SORA im Demokratiereport 2019 im Dezember. 38 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher befürworten zwar die Demokratie, können sich aber einen „starken Mann“ an der Spitze vorstellen, ebenso Einschränkungen der politischen Opposition und der Versammlungsfreiheit. 2018 waren es noch 34 Prozent.

Normalisierung seit 25 Jahren

Seit 25 Jahren beobachte die Sozialforschung diese Entwicklung, sagt Martina Zandonella von SORA beim Hintergrundgespräch des Vereins „Diskurs. Das Wissenschaftsnetz“. Als Ursache dafür sehen die Sozialwissenschaftlerinnen und Sozialwissenschaftler die zunehmende soziale Ungleichheit bei Einkommen, Vermögen und Bildungschancen. Die Politik habe diese Veränderungen vielfach mit rechtsextremen Narrativen erklärt, die Themen reichen von Zuwanderung über die Gleichstellung von Mann und Frau bis hin zu antisemitischen Verschwörungstheorien.

Dass Menschen Gruppen definieren, denen sie sich zugehörig fühlen und sich von anderen Gruppen abgrenzen, sei ein bekanntes Phänomen in den Sozialwissenschaften, sagt der Soziologe Jörg Flecker von der Universität Wien. Doch viele Menschen würden diese Grenzlinien heute immer vehementer ziehen, gerade im rechten politischen Spektrum. „Wer diesen Ansatz auf die heutige Situation und auf Österreich überträgt, spricht von der Gruppe der ‚immer schon hier Gewesenen‘ und die Gruppe der Migrantinnen und Migranten“, so Flecker.

„Wir“ und „die“

Selbst die Kinder und Kindeskinder von Menschen mit Migrationshintergrund würden zu dieser abgegrenzten sozialen Gruppe gezählt, der man wenig gesellschaftliche Mitsprache zugesteht. Ein aktuelles Beispiel sind die Angiffe gegen die Justizministerin Alma Zadic von den Grünen. Ein beruflicher Aufstieg, der den geforderten sozialen Abstand zwischen den Gruppen verringere. Die Folge seien aggressive verbale Entgleisungen und Drohungen, sagt Flecker. „Diese Drohungen richten sich sowohl gegen eine hochqualifizierte Frau, die Karriere macht, als auch gegen eine hochqualifizierte Migrantin“, so der Soziologe weiter.

Sprache beschönigt und verschleiert

Was den Einfluss der Sprache auf das Denken und Handeln der Menschen betrifft, kritisiert die Sprachwissenschaftlerin Ruth Wodak den politischen Einsatz von Euphemismen und meint damit Begriffe wie „illegale Migration“, „Sicherungshaft“ oder „Rückkehrzentren“, die unter der ÖVP-FPÖ Regierung gar als „Ausreisezentren“ bezeichnet wurden.

Euphemismen seien eine Möglichkeit, tabuisierte Themen akzeptabel zu machen - eine Technik, der sich auch das Regierungsprogramm der neuen Regierung der ÖVP und der Grünen bediene. „Rückkehrzentrum oder Ausreisezentrum, beides sind Euphemismen, die verschleiern, dass die Betroffenen Österreich nicht freiwillig verlassen und nicht freiwillig in ihre Heimat zurückkehren“, sagt Wodak.

Marlene Nowotny, Ö1 Wissenschaft

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