Forscher bringen Mumie zum Sprechen

Wer nach dem Tod sprechen konnte, hatte im alten Ägypten Zugang zum Himmelsreich. Genau das haben britische Forscher einer 3.000 Jahre alten Mumie mit Hilfe moderner Technik ermöglicht: Die Mumie spricht – in bescheidenem Umfang.

Mit Computertomografen und 3-D-Druckern ist es heutzutage möglich, den Stimmapparat von lebenden Menschen nachzubauen. Das könnte im Prinzip auch bei Verstorbenen funktionieren, sofern die sterblichen Übererste gut erhalten sind, dachte sich John Schofield – und rief mit Kolleginnen das Projekt „Voices from the Past“ ins Leben.

Als Studienobjekt wählte der britische Archäologe und Pionier der „Heritage Studies“ die Mumie „Nesyamun“ aus. Nesyamun war einst Priester während der Regierungszeit von Ramses XI., dem letzten Pharao der 20. Dynastie. Nach seinem Tod wurde der Priester seinem Stand gemäß mumifiziert, seit 1823 befindet sich der Körper im britischen Königreich, wo er schon einer Reihe von wissenschaftlichen Tests unterzogen wurde.

Organ aus dem 3-D-Drucker

Anfänglich gingen die Forscher noch mit anatomischen Methoden ans Werk, in den 1930ern mit Röntgenstrahlen, ab den 1990ern dann mit den damals noch neuen Computertomografen. Und nun mit dem 3-D-Drucker: Wie Schofield diese Woche im Fachblatt „Scientific Reports“ berichtet, ist der Mund-, Hals- und Rachenraum der Mumie in passablem Zustand, jedenfalls gut genug, um damit einen künstlichen Vokaltrakt herzustellen.

Und was macht man mit so einem Ding? Man hört sich an, wie es klingt: Schofield hat das künstliche Organ mit einem elektronischen Kehlkopf ausgestattet und ihm auf diese Weise Laute entlockt.

Zugegeben, klanglich ist da noch Luft nach oben. Und auch sonst ist das der Studie beigefügte Soundfile bescheiden geraten, bisher besteht Nesyamuns Stimme bloß aus einem Vokal, der nach einem gedehnten „ä“ oder „e“ klingt. Viel mehr geht auch nicht, betont Schofield. Um flüssig gesprochene Sprache reproduzieren zu können, müsste man mehr über die Art und Weise wissen, wie Nesyamun und seine Zeitgenossen wirklich gesprochen haben. Immerhin ist über den kulturellen Hintergrund dieser Zeit einiges bekannt – und das ist der eigentliche Grund, warum Schofield so viel Arbeit in einen Vokal investiert hat.

Mumie im CT-Scanner

Leeds Museums and Galleries

Die Mumie im CT-Scanner

Wenn die alten Ägypter den Namen eines Verstorbenen aussprachen, dann bedeutete das für sie, diesen Menschen auferstehen zu lassen. Der Name war damals Teil der Essenz einer Person, gleichrangig mit dem Körper und der Seele.

Vor den Göttern sprechen

Das Gesprochene spielte auch in der göttlichen Mythologie eine wichtige Rolle: Wenn Pharaonen - und zu späterer Zeit Priester - den Titel „Maa-cheru“ (übersetzt: „ist gerecht bzw. wahr an Stimme“) erhielten, dann wurden sie damit befähigt, nach ihrem Tod an der Himmelspforte Auskunft zu geben über die Bilanz ihres Lebens. Sofern es tugendhaft war, stand ihnen der Zugang in die Ewigkeit offen.

Nesyanum wurde das Privileg, an oberster Stelle sprechen zu dürfen, offenbar zuteil, der altägyptische Namenszusatz „Maa-cheru“ findet sich auch an seinem Sarg. Und nun, 3.000 Jahre nach seinem Tod, ist seine „gerechte Stimme“ wieder zu hören. Zumindest ein bisschen.

Robert Czepel, science.ORF.at

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