Historiker kritisieren den FPÖ-Historikerbericht

Der FPÖ-Historikerbericht sei „ein Sammelsurium von Einzelmeinungen“, so Oliver Rathkolb von der Uni Wien: Die jüngere Parteigeschichte wie der Einfluss von Burschenschaften und rechtsextremen Bewegungen werden nicht beleuchtet.

Anlassfall für den Bericht war das Auftauchen antisemitischer Texte im Liederbuch der Burschenschaft des nunmehrigen niederösterreichischen FPÖ-Chefs Udo Landbauer. Auf anhaltende Kritik beauftragten die Freiheitlichen ihren früheren Funktionär Wilhelm Brauneder, der eine „Historikerkommission“ mit der Aufarbeitung „brauner Flecken“ in der Partei sowie der Vorgängerorganisation VdU einsetzte. Präsentiert wurde der Bericht im Dezember.

Rathkolb fehlt es in diesem Bericht an wissenschaftlicher Seriosität. Die Rolle von Burschenschaften, der eigentliche Anlassfall für das Unterfangen, sei so gut wie gar nicht beleuchtet worden. Der angeblich fehlende Zugang zu Archivmaterial sei dabei kein Argument, so Rathkolb in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit weiteren Historikern. Mitgliederverzeichnisse würden sich etwa in der Nationalbibliothek befinden. Der Begriff „Identitäre“ finde sich in dem „Sammelband“ gerade sieben Mal, zumeist handle es sich um zitierte Zeitungsartikel.

Viele Leerstellen

An der Aufgabenstellung vorbei geht der Text auch für die Salzburger Historikerin Margit Reiter. Die NSDAP-Vergangenheit von Funktionären der VdU werde zwar in „biografischen Skizzen“ erwähnt, nicht aber werde auf deren eigentliche Rolle im Nationalsozialismus sowie deren Gesinnung nach Kriegsende eingegangen. Aktuelle wissenschaftliche Publikationen gebe es dabei genug, betonte sie. Auch die Legende vom Gründungsvater der FPÖ, Anton Reinthaller, als „guter Nazi“ werde reproduziert.

Die jüngere Geschichte der FPÖ werde in dem Bericht gar nicht beleuchtet, finden die Historiker. So könne man nichts zur Einstellung der einstigen FPÖ-Chefs Friedrich Peter und Jörg Haider zum Nationalsozialismus lesen. Ebenso wenig über dahin gehende Aktivitäten von Heinz-Christian Strache. Völlig negiert werde zudem der aus der „völkischen“ Tradition stammende und nach 1945 im Wesentlichen ungebrochene Antisemitismus.

Als „ziemlich oberflächliche Arbeit“ qualifiziert auchGerhard Baumgartner vom Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands (DÖW) den FPÖ-Historikerbericht. So habe es oft den Anschein, die NSDAP werde als „Volkstanzgruppe mit weißen Strümpfen“ wahrgenommen, aber „es war eine Terrorgruppe“. Sein Resümee: „Dieser Bericht ist eigentlich ein Psychogramm eines Teils der heutigen Führung der FPÖ.“

science.ORF.at/APA

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