Das Ende des Banns?

Man kann Katholik sein oder Freimaurer - aber nicht beides: Die Ablehnung der Freimaurerei durch die römisch-katholische Kirche währt seit Jahrhunderten. Doch nun gibt es Anzeichen der Entspannung: Hat der Bann bald ein Ende?

Das Buch „Loge und Altar“, das am 12. Februar 2020 auf Deutsch erscheint, könnte Vorbote einer Neubestimmung sein. Der österreichische Ex-Diplomat, Theologe und Priester Michael Weninger, bedeutender vatikanischer Spezialist für den Dialog mit anderen Religionen, legt in dieser umfassenden wissenschaftlichen Arbeit nahe, dass die römisch-katholische Kirche nach nahezu 300 Jahren ihren Bann von der weltumspannenden Vereinigung der Freimaurer nehmen sollte.

Das Buch

Michael Weninger: „Loge und Altar. Über die Aussöhnung von katholischer Kirche und regulärer Freimaurerei“, Loecker Erhard Verlag, ISBN-13: 9783990980149

Das wäre nicht nur ein Paradigmenwechsel im gespannten Verhältnis dieser beiden Institutionen zueinander, sondern auch das Ende eines Gegensatzes, der seit der päpstlichen Bulle „In eminenti“ aus den Jahr 1738 Aufklärung, Revolutionen, Kriege und die politische Kultur in Europa und anderen Kontinenten maßgeblich beeinflusst hat.

Mann im Freimaurerkostüm

APA/AFP/Lucas Barioulet

Freimaurerlogen waren für die Kirche lange „Synagogen des Satans“

In insgesamt 20 Rechtsakten haben Päpste die Freimaurer als Geheimbündler, Häretiker und Feinde des Glaubens verurteilt. Umgekehrt haben viele antiklerikale Freimaurer bisweilen eine große Rolle im Kampf gegen den Einfluss der Kirche auf Politik, Gesellschaft und Bildungswesen gespielt.

Was hat sich nun plötzlich geändert? Welche neuen Erkenntnisse bringen führende Kreise im Vatikan zum Umdenken? Und wie reagieren die Freimaurer darauf?

Der „Freimaurerkardinal“

Schon in den späten 60er Jahren führte der Wiener Erzbischof Franz Kardinal König im Gefolge des II. Vatikanischen Konzils Gespräche mit österreichischen, deutschen und Schweizer Freimaurern, die 1970 in der gemeinsamen „Lichtenauer Erklärung“ gipfelte. Deren Fazit war, dass die Freimaurerei keine Religion sei und mit der katholischen Kirche immerhin das Gebot zur Bruder- und Menschenliebe gemeinsam habe. Die Bannflüche der Kirche gegen die Freimaurer seien nur mehr ein historisches Relikt. Das trug Kardinal König bei Missliebigen die Verdächtigung ein, selbst ein Freimaurer zu sein, was nicht den Tatsachen entsprach.

Ö1-Sendungshinweis

Mit diesem Thema beschäftigt sich heute auch das Salzburger Nachtstudio um 21.00 Uhr: „Das Ende des Banns? Kirche und Freimaurerei vor einer Einigung?“

Am 27. November 1983 trat das neue Kirchenrecht (CIC) in Kraft, die Freimaurerei wurde darin mit keinem einzigen Wort verurteilend erwähnt. Der Pferdefuß war allerdings, dass eine Deklaration der Glaubenskongregation vom 26. November 1983 nur einen Tag vor dem Inkrafttreten des neuen Kirchenrechts verkündete, dass das „Urteil der Kirche gegenüber der Freimaurerei unverändert“ sei und damit auch die Exkommunikation für die katholischen Freimaurer weiterhin bestehen bleibe.

Präfekt der Glaubenskongregation war damals Joseph Kardinal Ratzinger. Ein hartnäckiges Gerücht besagt, dass der Bayer Ratzinger hier einem persönlichen Wunsch des freimaurerfeindlich eingestellten Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß gefolgt sei, aber diese Version ist umstritten.

Gott und der „Große Baumeister“

Fest dürfte stehen, dass die meisten Freimaurer, die in sogenannten „regulären“ (also von der Großloge von England anerkannten) Logen arbeiten, keine Feinde von Glauben, Christentum und Kirchen sind. Der liebe oder strafende Gott spielt bei ihrem Tun in der Loge allerdings keine Rolle, sondern nur der metaphorische „Große (oder allmächtige) Baumeister aller Welten“ (GBAW), der in deistischer Manier nicht ins Leben der Menschen eingreift. Dieser Formel, so meinen die Maurer, könnten sich alle Humanisten anschließen und im übrigen Christen, Juden, Muslime, Agnostiker oder sonst etwas bleiben – das sei eben Privatsache.

Brosche mit Freimaurersymbolen

APA/AFP/Tolga AKMEN

Freimaurerbrosche aus dem 19. Jahrhundert

Manche römisch-katholischen Theologen sehen das anders und vermeinen den Weg hin zur Erlösung durch das Allerweltsprinzip des GBAW gefährdet. Selbst wenn man alle politischen Zwistigkeiten der Vergangenheit hinter sich ließe, bliebe also immer noch dieser Konflikt und vor allem die Tatsache, dass die Freimaurer ihre Riten geheim halten – vielleicht also doch im Stillen eine Sekte?

Auszuschließen ist das freilich nicht restlos, denn „Freimaurerei“ ist kein geschützter Begriff. Praktisch jeder kann sich einen Schurz und ein „Bijou“ am blauen Bande kaufen, eine „Loge“ gründen und gleichwelche Riten bis hin zum groben Schabernack pflegen.

„Keine religiöse Doktrin“

Nicht so die „regulären“ Logen unter dem Schirm der Großloge von England, der auch die Freimaurer der Großloge von Österreich unter ihrem derzeitigen Großmeister, dem bekennenden Katholiken Georg Semler, angehören. Zu religiösen und politischen Themen äußert sich die Großloge von Österreich nicht.

Auf deren Regularität und Seriosität stützt sich die zentrale These von Michael Weningers Buch „Loge und Altar“. Die Freimaurerei sei weder eine religiöse Gemeinschaft, noch besitze sie eine religiöse Doktrin – im Gegenteil: „Jeder einzelne Bruder in diesem Bund behält seinen Glauben: Ein Katholik ist und bleibt Katholik, ein Protestant ist und bleibt Protestant“, sagt Weninger im Gespräch mit Ö1. „Und politische, geschweige denn parteipolitische Debatten darf es bei regulären Freimaurern ohnehin nicht geben.“ Die Kirche, so Weninger, habe (zu) spät Unterscheiden gelernt zwischen ebenjenen regulären Freimaurern und anderen, bisweilen auch sektiererischen oder kirchenfeindlichen Strömungen – und folglich alle zusammen in die Kategorie „Beelzebuben“ geworfen.

Mögen sich etwa französische (Im Grand Orient der France, seit 1877/1913 von London getrennt) Logen oder andere freimaurerähnliche Organisationen gegen die Kirche äußern, so bestehe kein Grund, dass die römisch-katholische Kirche und die Freimaurer englischer Spielart weiterhin im Konflikt leben müssten, denn auch die Riten dieser Logen enthielten nichts, was der katholischen Lehre entgegenstehe, meint Weninger, der in seiner Zeit als österreichischer Diplomat Freimaurer auf mehreren Kontinenten kennengelernt hat.

Gegner dieser Einigung dürften allerdings ebenfalls rasch gefunden sein: radikal antiklerikal eingestellte Freimaurer und traditionalistische Katholiken. Und randständige Meinungen werden bekanntlich oft lauter artikuliert als gemäßigte.

Martin Haidinger, Ö1-Wissenchaft

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