Monströs: Riesenschildkröte mit Hörnern

Schildkröten stehen ja nicht im Verdacht, besonders furchterregend zu sein. Doch diese war es: Wissenschaftler haben in Venezuela die Überreste einer Riesenschildkröte ausgegraben. Sie war eine Tonne schwer - und trug Hörner.

Heute ist die Region um die Stadt Urumaco Wüstengebiet. Vor fünf bis zehn Millionen Jahren sah es hier ganz anders aus, damals war der Norden Venezuelas eine tropische Sumpflandschaft, in der sich die sonderbarsten Lebewesen tummelten. Zu dieser nunmehr verschwundenen Tiergemeinschaft gehörten unter anderem Schlangen, Krokodile, Riesennagetiere und nicht zuletzt auch Schildkröten. Einen besonders spektakulären Vertreter dieser Gruppe beschreiben jetzt Forscher um Marcelo Sanchez-Villagra im Fachblatt „Science Advances“.

Der Palänotologe von der Universität Zürich hat die Überreste einer Monströsität ausgegraben, drei Meter lang und mehr als eine Tonne schwer war dieses Tier namens Stupendemys geographicus, sagt Sanchez-Villagra. „Das ist eine der größten, wenn nicht überhaupt die größte Schildkröte, die jemals existiert hat.“

Wozu diese Hörner?

Was die Forscher an ihrem Fund noch mehr überrascht hat: Die Männchen dieser Art trugen Hörner auf ihrem Panzer. Solche Unterschiede im Körperbau der Geschlechter kennt man beispielsweise von Hirschen, Antilopen, Mufflons – dass es so etwas auch bei Halswender-Schildkröten (zu denen die nun beschriebene Art gehört) gibt bzw. gab, ist neu. Was zur Frage führt: Wozu hatte Stupendemys diese Auswüche? Vermutlich setzte es sie sowohl bei Rangkämpfen wie zur Verteidigung ein, schreibt Sanchez-Villagra in seiner Studie. Also ähnlich, wie das auch bei Hirschen und Antilopen der Fall ist.

Künstlerische Rekonstruktion der Riesenschildkröte Stupendemys geographicus

Jaime Chirinos

Stupendemys geographicus

Schutz hatte das Riesenvieh tatsächlich notwendig. Die Forscher haben auf den Knochen der Schildkröte Bissspuren gefunden, die auf die Existenz eines noch bedeutend größeren Raubtiers hinweisen. Den Fossilien dieser Region nach zu urteilen, stammen sie wohl von Purussaurus – ein bis zu zwölf Meter langes Krokodil, das im späten Miozän an der Spitze der Nahrungskette stand. Bei diesem Lauerjäger musste selbst die gut gepanzerte Riesenschildkröte auf der Hut sein.

Der Zoologe Joaquin Villamil hat vor ein paar Jahren herausgefunden, dass Purussaurus auch ein Jagdmanöver beherrschte, das im Englischen als „death roll“ bezeichnet wird. Purussaurus zerteilte seine Beute, indem er sich zunächst festbiss und dann immer wieder um seine Körperachse drehte. Alligatoren machen das heute noch so.

Robert Czepel, science.ORF.at

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