Wer die Flüchtlingshelfer 2015 waren

Während der Flüchtlingswelle 2015 verteilten viele auf Bahnhöfen Essen und Trinken, organisierten Unterkünfte und boten Deutschunterricht an. Organisiert haben sich die Helfer meist via Facebook und Co., so eine Befragung. Sie zeigt, wer genau damals geholfen hat.

Weiblich (mit 72,4 Prozent), überdurchschnittlich gebildet, soziale Aufsteiger, wenngleich selten unter den Großverdienern - ein Drittel hatte nur ein Monatseinkommen von unter 1.500 Euro netto. So lässt sich laut einer österreichweiten Befragung mit 1.500 Teilnehmern ein Großteil jener Menschen zusammenfassen, die sich im Rahmen der Flüchtlingswelle 2015 über Facebook und Co. organisiert und ihre Hilfe angeboten haben.

Dass der Frauenanteil derart hoch war, überrascht nur teilweise, erklärt die Projektleiterin Andrea Schaffar von der Universität Wien. „Eine kürzlich vom Sozialministerium veröffentlichte Studie zum Thema Zivilgesellschaft in Österreich hat gezeigt, dass in den Bereichen, wo es um Hilfeleistungen und klassische Nachbarschaftshilfe geht, mehr Frauen tätig sind.“

Lose und spontan organisiert

Dennoch unterscheidet sich die Gruppe von Engagierten aus dem Jahr 2015: Anders als in Sportvereinen oder der Freiwilligen Feuerwehr haben sich die Männer und Frauen vorrangig lose und spontan über das Internet organisiert, erklärt die Soziologin Schaffar. „Das beste Beispiel war der Hauptbahnhof, wo sich dann der ‚Train of Hope‘ gebildet hat - damals noch ohne Namen und als loser Zusammenschluss, der über Twitter und Facebook organisiert war. Es brauchte hier keine rechtliche Konstruktion rundherum, weil die Menschen einfach online geschaut haben, wo wird was gebraucht, was kann ich machen und sich dort dann einfach eingeklinkt haben.“

Ö1-Sendungshinweis

Diesem Thema widmet sich auch ein Beitrag in der Sendung „Wissen aktuell“ am 4.12.

Der Nutzen von Social Media zeigte sich auch in den kleineren Gemeinden Österreichs, wo über diese Wege etwa Unterkünfte und notwendige Möbel organisiert wurden, erklärt die Co-Autorin und Soziologin Anna Gerhardus von der Universität Wien. „Es waren keinesfalls nur die Jungen, vielmehr haben mit 80 Prozent fast alle Befragten diese Kanäle zur Informationssuche, als Diskussionsforum oder zum Koordinieren genutzt.“

Wie sich herausstellte, verwendeten hier Frauen und Männer Twitter und Co. tendenziell unterschiedlich. Während Männer online vor allem kommentierten und Beiträge verfassten, nutzten Frauen diese Plattformen, um sich zu vernetzen und sich etwa über Sachspendendepots zu informieren.

Ältere handelten unmittelbar

Dass unmittelbar gehandelt werden musste, als tausende Menschen auf ihrer Flucht in Österreich eintrafen, war für viele sofort klar, ergänzt Gerhardus. Vor allem Männer und Frauen über 55 zögerten nicht lange. „Jene Mitte zwanzig haben sich vermehrt nach Diskussionen mit Freunden angeschlossen oder nachdem sie aus den Medien von der Not erfahren haben.“

Rund ein Drittel der befragten Helfer hatte dabei selbst Migrationshintergrund - das heißt, sie selbst oder zumindest ein Elternteil stammte nicht aus Österreich. Mehr als die Hälfte wiederum hatte entweder persönlich Erfahrungen mit Flucht oder Krieg gemacht oder eine ihnen nahestehende Person, erklärt Andrea Schaffar. „Das deutet darauf hin, dass es in Richtung dieser Erfahrungen eine sehr hohe Sensibilität gab und damit auch die Empathie und das Gefühl, da muss man was machen.“

Ähnlich deutet die Soziologin auch den Umstand, dass einige der Helfer eine höhere Ausbildung als ihre Eltern hatten. „Es lässt sich anhand der Daten gut zeigen: Wenn Menschen einen Bruch in ihrer Biografie haben, sind sie auch eher dafür sensibilisiert und setzen sich das Gemeinwohl ein.“

Befragung nicht repräsentativ, füllt aber Lücke

Repräsentativ ist die Befragung nicht, erklärt Schaffar. Sie zeige aber einen Teil der Zivilgesellschaft auf, der bisher bei Erhebungen dazu unterrepräsentiert ist. „Mit unserer Befragung können wir die Datenlage etwas anreichern.“ Wie sich aber zeigt, gibt es hier durchaus eine gemeinsame Schnittmenge, denn etwa 70 Prozent gaben an, auch davor schon in Vereinen tätig gewesen zu sein oder sich für andere Organisationen eingesetzt zu haben.

Insgesamt erreichte der Fragebogen der Sozialwissenschaftlerinnen die Menschen großteils über Facebook, Twitter und Co. Mehr als die Hälfte der Befragten kam dabei aus Wien, gefolgt von Niederösterreich und Oberösterreich. Die wenigsten Teilnehmer kamen aus Kärnten und Vorarlberg. Manche helfen und begleiten die Geflohenen auch heute noch. „Wer das wiederum im Detail ist, werden wir uns demnächst anhand der gesammelten Daten ansehen“, ergänzt Schaffar.

Ruth Hutsteiner, Ö1-Wissenschaft

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